Auf dem Weg in die Zukunft
24. Februar 2009Erst vor wenigen Wochen war der abtrünnige Tutsi-General Laurent Nkunda von ruandischen Truppen festgenommen worden. Er kämpft vor allem gegen Hutu-Milizen im Ostkongo. Für viele kam die Verhaftung überraschend, denn zwischen Ruandas Präsident Kagame und Nkunda wird eine Verbindung vermutet. Wegen seines Kampfes gegen die Hutu-Milizen hat Laurent Nkunda zudem unter Ruandas Tutsi-Bevölkerung viele Anhänger. Wie bewertet die ruandische Bevölkerung die Situation? Und wie sieht es, 15 Jahre nach dem Genozid, mit der Versöhnung der ehemals verfeindeten Volksgruppen aus? DW-Reporterin Christine Harjes war gerade in Ruanda unterwegs. In unserem Interview erzählt sie von ihren Eindrücken.
DW: Frau Harjes, was haben die Ruander zu der Verhaftung Laurent Nkundas gesagt?
"Da waren die Reaktionen ganz unterschiedlich. Es gibt wilde Gerüchte. Einige glauben, die Regierung habe damit bewiesen, dass sie mit Nkunda nie was zu tun hatte, was ich persönlich für ein bisschen naiv halte. Andere denken, man habe Nkunda verhaftet, weil er übertrieben habe. Das habe jetzt auch die ruandische Regierung gestört. Eine weitere Vermutung ist, die ruandische Regierung habe ihn verhaftet, weil sie Angst gehabt habe, dass die Kongolesen ihn verhaften könnten. Wenn er dann im Kongo vor Gericht stünde, könnten zu viele Details über seine Verbindung zu Ruanda ans Tageslicht kommen. Insgesamt sind die Leute eher unkritisch, weil es nicht so ganz einfach ist, kritisch über die Regierung zu reden. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind heikle Themen in Ruanda."
Der Genozid in Ruanda ist jetzt fast 15 Jahre her. Im Ost-Kongo, wo Hutu- und Tutsi-Rebellen gegeneinander kämpfen, wirkt er immer noch nach. Wie gehen denn die Ruander heute damit um?
"Das ist nicht so ganz einfach zu beurteilen. Man hat da auf den ersten Blick das Gefühl, dass es alles sehr gut funktioniert, und dass die Hutu und die Tutsi wirklich friedlich miteinander umgehen. Wenn man dann genauer hinguckt, sieht man, dass in den wichtigen Positionen überwiegend Tutsi sind. Zudem gibt es ein Ungleichgewicht zwischen der anglophonen und frankophonen Bevölkerung. Die Anglophonen sind eindeutig in wichtigeren Positionen und die Frankophonen sind ins Hintertreffen geraten. Auch wenn es keiner offen aussprechen würde, kann ich mir gut vorstellen, dass auch viele Menschen in Ruanda gibt, die mit der aktuellen Situation unzufrieden sind."
Wie steht es denn um die Versöhnung in Ruanda? Sie haben sich ja auf Ihrer Reise verschiedene Projekte angesehen.
"Ich wollte sehen, welche verschiedenen Wege es zur Versöhnung gibt. Was mich am meisten beeindruckt hat, war ein Projekt von jungen Ruandern, die auf die eine oder andere Art vom Genozid betroffen waren. Das waren einerseits Tutsi, die überlebt haben und von denen viele ihre Angehörigen während des Völkermords verloren haben. Und andererseits waren es Hutu, deren Eltern im Gefängnis gesessen haben oder sitzen, weil sie am Genozid beteiligt waren. Es war sogar jemand dabei, der selbst Menschen umgebracht hat. Diese jungen Leute haben sich zusammengetan und gesagt, wir müssen gemeinsam das Land wieder aufbauen und für Versöhnung sorgen. Sie bauen jetzt Häuser und zwar Häuser für Familien in Not. Und das sind oft Leute, die gerade aus dem Gefängnis zurückgekommen sind, weil sie am Genozid teilgenommen haben. Das ist etwas, das man kaum begreifen kann, wenn man aus Deutschland kommt. Wie jemand für Leute, die unter Umständen die eigenen Familienmitglieder umgebracht haben, Häuser baut und mit diesen Leuten zusammen versucht, etwas für das Land zu tun."
Woher nehmen die Menschen die Kraft, sich so für ein friedliches Miteinander zu engagieren?
"Letztendlich beantworten kann ich das auch nicht. Ich glaube, dass es hauptsächlich mit der Religiosität zusammenhängt. Alle, die ich getroffen habe, sind sehr religiös und sagen, wer christlich ist, müsse eben vergeben. Ich glaube, dass daher viel Kraft kommt. Vielleicht auch aus der Tradition heraus, dass man versucht, Konflikte zu lösen, um miteinander weiterzuleben. Und man muss eben auch bedenken, dass die Menschen gar keine andere Wahl haben. Dafür leben in Ruanda Opfer und Täter auf viel zu engem Raum zusammen. Irgendwie muss es weitergehen. Man kann diesen Konflikt nicht ungelöst so stehen lassen."