Wunderheiler Tansania
8. Juni 2011Seit neun Stunden kämpft sich der Kleinbus über Schlaglöcher und Feldwege. Die Klimaanlage ist längst defekt, es ist stickig und staubig. Zwischen der grünen Bergen ist endlich das Ziel zu sehen: Loliondo, ein Dorf voller provisorischer Behausungen und Verkaufsbuden mit Dächern aus Plastikplanen. Die Gesichter der Reisenden wirken erleichtert. Sie haben die Stadt mit den besten Krankenhäusern Ostafrikas verlassen, um eine Tagesreise entfernt in einem Dorf in Tansania behandelt zu werden. Schon anstrengend, gibt Francis Kiali Chege zu, als er endlich aussteigen kann, um die nächste Zigarette zu rauchen. Aber es wird sich lohnen, sagt der 76-Jährige selbstbewusst: "Viele sagen, dass sie hier geheilt wurden, also werde ich auch geheilt." Chege nimmt einen letzten Zug von seiner Zigarette und anschließend eine Diabetestablette.
Von der idyllischen Kleinstadt zum Handelszentrum
Wasser, Essen, ein Zelt zum schlafen - alles kein Problem in Loliondo. Hunderte Händler haben sich hier in den letzten Monaten niedergelassen. Einer von ihnen ist Nilikana Pedro Njerosa. Der junge Massai ist im April gekommen um die Medizin zu trinken und ist gleich als Wachmann hier geblieben. Die Zeiten, in denen die Besucher tagelang kilometerweit im Stau warten mussten seien jedoch vorbei. "Im Moment kommen 200, 300 Autos am Tag. Die meisten kommen aber nicht mehr aus Tansania, sondern aus Kenia, Uganda, Burundi, Ruanda, Kongo, Sambia und Äthiopien."
Früh um sechs quält sich der Diabetiker Chege aus dem Matatu, in dem er auch die Nacht verbracht hat. Mit Anzug, Hut und Spazierstock läuft er zum Haus von Ambilikile Masapila, dem Wunderheiler von Loliondo. Hunderte Menschen warten vor seinem einfachen Lehmhaus auf Babu, wie sie ihn nennen, und seine Medizin. Doch zunächst gibt es eine fast einstündige Belehrung von einem Sicherheitsmann. Fotografieren sei strikt verboten, wer dagegen verstößt werde festgenommen. Auch Journalisten dürfen nur mit Genehmigung berichten, die die Polizei eine Tagesreise entfernt in Arusha ausstellt.
Eine Tasse heilt AIDS, Asthma und Epilepsie
Um sieben Uhr morgens kommt Babu dann aus seiner Hütte und spricht über ein Megaphon zu den Besuchern. Jeder Patient sagt er, müsse eine Tasse seiner Medizin trinken, Kinder nur eine halbe. Sie enthält Teile des so genannten "Mugariga"-Baumes, in der Fachwelt bekannt als "Carissa edulis". Wissenschaftler konnten bisher jedoch keine Beweise für eine heilende Wirkung der Pflanze finden. Viele Ärzte, die Loliondo-Reisende untersucht haben, konnten keinen positiven Einfluss auf die Krankheit feststellen. Babu hingegen sagt: Sieben Tage nach dem Konsum verschwindet die Krankheit, ob AIDS, Diabetis, Krebs, Asthma oder Epilepsie. "Es ist nur ein Baum", sagt der alte Mann mit blauer Trainingsjacke, "aber Gott hat sein Wort hineingelegt. Darum heilt er."
Nach der Rede verschwindet Babu in seiner Hütte und die Patienten werden von den Sicherheitskräften in ihre Fahrzeuge getrieben. Hier wird die Medizin dann gereicht, für umgerechnet 25 Cent pro Tasse. Francis Kiali Chege und die anderen Reisenden aus Nairobi lehren die Tasse in einem Zug. Francis lächelt. Obwohl er noch eine neunstündige Heimfahrt vor sich hat, ist er sich sicher, in sieben Tagen geheilt zu sein. Wenn das alle sagen und wenn Tausende hier her kommen, dann müsse doch was dran sein.
Autor: Adrian Kriesch
Redaktion: Jan-Philipp Scholz