Aufatmen nach Griechenland-Wahl
17. Juni 2012Noch ist nicht klar, wer in Griechenland regieren wird. Aber es sieht so aus, als könnten die beiden alten Rivalen, die konservative Nea Dimokratia von Antonis Samaras und die sozialistische Pasok von Evangelos Venizelos, eine Koalition bilden. Das sind zwar die Parteien, die zusammen Griechenland in die Krise geführt haben. Es sind aber gleichzeitig die Parteien, die die Spar- und Reformauflagen der internationalen Geldgeber grundsätzlich akzeptieren. Während Alexis Tsipras vom linken Bündnis Syriza die gesamte Sparpolitik sofort beenden wollte, haben Samaras und Venizelos "nur" Erleichterungen gefordert.
"Ein bisschen mehr Zeit"
Und kleinere Kompromisse könnte eine neue Regierung offenbar auch bekommen. So sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Wahlabend in der ARD: "Ich kann mir gut vorstellen, über Zeitachsen noch einmal zu reden." Inhaltlich wollte er dagegen keine wesentlichen Abstriche zulassen. "Am Weg der Reformen führt kein Weg vorbei." Noch deutlicher entgegenkommend äußerte sich Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, in der Montagsausgabe (18.06.2012) des Berliner "Tagesspiegel": "Wir müssen mit einem Wachstums- und Beschäftigungspakt und ein bisschen mehr Zeit zum Sparen den Griechen wieder auf die Beine helfen, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen können", so Schulz. Ein solcher Kurs sei auch "im deutschen Interesse, denn wenn Euro-Zone und EU auseinanderbrechen, beginnen dunkle Zeiten auf unserem Kontinent." Und auch der belgische Außenminister Didier Reynders sprach – nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses – von einem "Manövrierspielraum".
Kompromisslose Kanzlerin
Die Eurogruppe als Ganze betonte dagegen, wie notwendig es sei, an den Vereinbarungen festzuhalten. Sparkurs und Strukturreformen seien "Griechenlands beste Garantie, die gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu überwinden", heißt es in einer Erklärung von Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich am Sonntagnachmittag besonders kompromisslos gezeigt. Es müsse Schluss sein mit "versprochen, gebrochen, nichts passiert", sagte Merkel beim Landesparteitag der hessischen CDU in Darmstadt. Merkel spielte damit auf die Tatsache an, dass Griechenland kaum etwas von den bisherigen Auflagen erfüllt hat. Dann wurde Merkel noch deutlicher Richtung Athen: "Es kann nicht sein, wer sich an die Abmachungen nicht hält, der kann jeden anderen sozusagen am Nasenring durch die Manege führen." Merkel befürchtet ein starkes Erpressungspotential: Weil die Angst auch in Deutschland vor einem Auseinanderfallen der Währungsunion so groß ist, könnten Europas Spitzenpolitiker in den Augen Merkels zu leicht einknicken und Griechenland entgegenkommen.
Frankreich rückt nach links
In diesem Zusammenhang dürfte die Kanzlerin auch das Wahlergebnis in Frankreich mit Sorge zur Kenntnis genommen haben. Dort bekam die sozialistische Partei von Staatspräsident Francois Hollande die absolute Mehrheit in der zweiten Runde der Parlamentswahl. Damit kann Hollande in beiden Kammern auf eine Mehrheit seiner Partei bauen. Hollande setzt sich auf der europäischen Bühne für eine Abschwächung der Sparpolitik ein und zieht damit praktisch in Merkels Gegenrichtung. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici sagte denn auch in einem Interview mit Blick auf Griechenland: "Es ist Disziplin nötig, aber es ist auch Hoffnung nötig."
Schwierige Verhandlungen
Auch wenn die sparbereiten Kräfte in Griechenland eine Regierung bilden können und wollen, ist damit ein Verbleiben Griechenlands in der Währungsunion noch keineswegs gesichert. Es dürfte schwierige Verhandlungen mit den Kreditgebern geben, und es ist durchaus möglich, dass die griechische Seite unrealistische Vorstellungen von einem Entgegenkommen hat. Denn auch wenn einige europäische Politiker von zeitlicher Streckung reden, will doch niemand grundsätzlich neu verhandeln. Im Gegenteil, es überwiegt eher die Wut, dass Griechenland bisher kaum etwas von seinen Zusagen eingehalten hat. Der Verhandlungsspielraum ist also sehr gering.