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Aufeinander zu?

Hans Spross4. August 2002

Der festgefahrene Versöhnungsprozess zwischen Nord- und Südkorea kommt offenbar wieder in Gang. Aber wie reformfreudig sind die beiden Staaten wirklich?

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Gruppenbild auf NordkoreanischBild: AP

Einen Monat nach dem Seegefecht vor der koreanischen Halbinsel - geteilt durch die letzte Grenze des "Kalten Krieges" - haben Nord- und Südkorea wieder Gespräche vereinbart. Dazu kommen Nachrichten über einige spektakuläre Änderungen im nordkoreanischen Wirtschaftssystem: Löhne und Preise wurden in einem bestimmten Umfang freigegeben.

Ist der nordkoreanische Führer Kim Jong-Il in Wirklichkeit ein Technokrat, der im Machtkampf mit den Militärs die Oberhand gewonnen hat und deshalb jetzt mit der Liberalisierung im Innern wie nach außen Ernst macht?

Im Norden nichts Neues?

Die bisherigen Erfahrungen mit dem so genannten Großen Führer sprechen gegen diese Vermutung. Auch dessen Äußerungen verweisen Vorstellungen, Kim Jong-Il sei ein verkappter Reformer, ins Reich der Phantasie. Die Möglichkeit der Verschiebung des nordkoreanischen Machtgefüges in Richtung einer vorsichtigen Öffnung besteht nach Expertenmeinung aber dennoch.

Der wahrscheinlichere Grund für die jüngsten Entspannungssignale seien aber wohl eher im außenpolitischen Machtkalkül und in der desolaten Wirtschaftslage Nordkoreas zu sehen. "Vielleicht geht es in der Tat um nichts anderes, als Keile zu treiben zwischen die übrigen Interessenten, insbesondere Südkorea und die USA. Um zum anderen gleichzeitig zu versuchen, aus der eher symbolischen Öffnung möglichst viel materiellen Gewinn zu ziehen", gibt der Ostasien-Experte Kay Möller von der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin zu bedenken.

Änderungen des nordkoreanischen Wirtschaftsystems seien noch kein Ansatz einer grundlegenden Reform - auch, wenn es durchaus möglich ist, dass die Lockerung der Preise und Löhne eine gewisse Eigendynamik entfaltet und zu mehr wirtschaftlicher Freiheit führen kann.

Machtfaktor Militär

Das Militär verweigert sich einer grundlegenden Öffnung. "Der wichtigste Machtfaktor in der Demokratischen Volksrepublik ist das Militär. Und das zielt darauf, den 'Kalten Krieg' auf der koreanischen Halbinsel im Prinzip aufrecht zu erhalten", umreißt Möller die unterschiedlichen Interessenlagen.

Eine Öffnung würde einer politischen Machtbeteiligung weiterer Bevölkerungsschichten Vorschub leisten. Und eine solche Öffnung würde die wirtschaftlichen Fundamente des Militärs untergraben. Nicht zuletzt, weil es von den beträchtlichen ausländischen Hilfslieferungen bisher sehr profitiert hat.

Kein Vergleich zu China

In China hat Deng Xiaoping in den 1980er Jahren eine umfassende wirtschaftliche Liberalisierung eingeleitet, ohne das Machtmonopol der Kommunistischen Partei angetastet zu haben. Dieser Vergleich lässt sich nach Ansicht Möllers nicht auf Nordkorea anwenden. Denn die Rahmenbedingungen seien im heutigen Nordkorea ganz andere als im damaligen China. "Deng Xiaoping seinerzeit hat mit der Liberalisierung der Landwirtschaft angefangen, Nordkorea hat nichts Vergleichbares wie die Auslands-Chinesen, die als große und reiche Gruppe aus dem Ausland helfen können", verweist Möller auf die strukturellen Unterschiede.

Südkorea in der Zwickmühle

Ursprünglich wollte die Regierung in Seoul mit dem Norden nicht nur über Familienzusammenführungen, Postaustausch und Wirtschaftsverbindungen sprechen. Man wollte vor allem auch ins Gespräch über vertrauensbildende Maßnahmen im sicherheitspolitischen Bereich kommen. Gemessen an diesem Ziel, ist die Sonnenscheinpolitik des südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-Jung gescheitert - Nordkorea hat die Erwartungen des Südens enttäuscht.

Andererseits hat Südkorea zwischendurch seine Politik umformuliert und die Sonnenscheinpolitik als langfristig angelegte Politik der kleinen Schritte neu definiert. Außerdem kann Südkorea allein hier keine großen Fortschritte erzielen, sondern benötigt die enge Abstimmung mit den USA und Japan.

Dabei hätten die USA unter der Regierung George Bush eine nicht immer hilfreiche Rolle gespielt. "Die Bush-Administration hatte kurz nach Amtsantritt eigentlich entschieden, dass der Entspannungsprozess für die USA von sekundärer Bedeutung sei. Das ist sicherlich die falsche Politik, die Nordkorea weiter in die Isolation getrieben hat", zieht Möller eine erste Bilanz.