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Politik

Aufnahme von Flüchtlingen ist kein Wunschkonzert

Anna Tschöpe
14. Juni 2017

Ungarn, Polen, Tschechien haben bisher nur wenige oder keine Flüchtlinge aufgenommen. Damit widersetzen sie sich der beschlossenen EU-Verteilungsquote. Nun drohen Konsequenzen. Von Anna Tschöpe, Brüssel.

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Mittelmeer: Flüchtlinge in einem Gummiboot
Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Morenatti

Mit dem Schlauchboot übers Mittelmeer. Noch immer kommen an den europäischen Außengrenzen täglich neue Flüchtlinge an. Seit beinahe zwei Jahren pocht die EU auf deren gerechte Verteilung auf alle Mitgliedstaaten. Doch das funktioniert nur bedingt. Während die größte Last auf den Hauptankunftsländern Griechenland und Italien liegt, weigern sich die osteuropäischen Staaten Ungarn, Polen und Tschechien, Flüchtlinge aufzunehmen. Die EU-Kommission will das nun nicht mehr hinnehmen. In Straßburg verkündete EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, man werde gegen alle drei Länder sogenannte Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

Dass man als Mitgliedsstaat der Europäischen Union nicht nur Rechte genießen, sondern auch Pflichten erfüllen muss, wird immer wieder diskutiert. Europa bedeute nicht nur, Gelder zu erhalten oder Sicherheit zu garantieren, sagte Avramopoulos. Die Länder hätten bei der Umverteilung der Flüchtlinge keine Wahl, sondern es sei "eine rechtliche Entscheidung mit rechtlichen Verpflichtungen, auf die man sich gemeinsam geeinigt hat und die gemeinsam getragen werden muss - ohne Ausnahme," betonte er. Auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich bereits in einem Interview mit dem Magazin "Der Spiegel" für rechtliche Schritte gegen Ungarn, Polen und Tschechien ausgesprochen. Er sei dafür, sagte Juncker. "Wer nicht mitmache, müsse damit rechnen, ein Vertragsverletzungsverfahren an den Hals zu kriegen." Nun ist es so weit.

Umverteilungsprogramm läuft schleppend

Dimitris Avramopoulos
Migrationskommissar Avramopoulos "Keine Wahl, eine Verpflichtung"Bild: Getty Images/AFP/J. Skarzynski

Um Griechenland und Italien zu entlasten, hatten die EU-Innenminister bereits im September 2015, trotz Widerstands mehrerer osteuropäischer Länder, eine Umverteilung von insgesamt 160.000 Asylbewerbern beschlossen. Innerhalb von zwei Jahren sollten sie nach einem Quotensystem in andere Mitgliedsstaaten umgesiedelt werden. Die bisherige Bilanz ist ernüchternd. Nur ein Achtel aus diesem Kontingent - etwa 20.000 Menschen - konnten in den vergangenen Monaten bekamen eine neue Bleibe in einem anderen Land. Polen und Ungarn beispielsweise nahmen keinen Einzigen von ihnen auf.

Aus Sorge um die innere Sicherheit ihrer Länder hatten sich die sogenannten Visegrád-Staaten, neben Polen, Tschechien und Ungarn auch die Slowakei, von Anfang an gegen die Flüchtlingsquote gestellt. Der polnische Innenminister Maiusz Blaszczak sagte am Montag in Warschau, die Länder, die Flüchtlinge aufgenommen hätten, wären zu einem Raum für Terroristen geworden. "Heute haben wir einen Ausnahmezustand in Frankreich und Terroranschläge in Deutschland, Belgien und Schweden." EU-Kommissar Avramopoulos hält dagegen. Es handele sich bei den Flüchtlingen um Menschen, die gründlich identifiziert seien. Man habe von allen betreffenden Personen Fingerabdrücke und würde alle Maßnahmen unternehmen, die Sicherheit zu wahren.

“Anzahl der Flüchtlinge ist absolut zumutbar“

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht sich für eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten aus. Die rechtlichen Schritte der EU seien eine klare Ansage, sagt Iverna McGowan, Vorsitzende des Amnesty International Büros in Brüssel. Immer wieder würden die betreffenden Länder damit argumentieren, die Anzahl der Menschen, die sie aufnehmen sollen, sei zu groß. "Diese Zahlen sind absolut zumutbar", sagt Iverna McGowan. Zum Vergleich: Deutschland, das EU-Mitglied mit der höchst angesetzten Quote, hat im Umverteilungsprozess bisher rund 5700 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufgenommen.

Ungarisch-Serbische in Tompa
Ungarische Außengrenze: "Erpressung und uneuropäisch"Bild: picture-alliance/dpa/MTI/S. Ujvari

Doch McGowan warnt auch. Es sei erschreckend gewesen zu sehen, wie Ungarn an den Außengrenzen mit Flüchtlingen umgegangen sei. "Es gab Bilder von Misshandlungen und Festnahmen.“ Falls die aufnahmeunwilligen Länder aber noch einlenken sollten, müsse man dafür sorgen, dass dort die Bedingungen für die Integration gegeben seien. Man könne die Menschen schließlich nicht in Länder schicken, in denen sie keine Aussichten auf Arbeit, Bildung und angemessene Lebensumstände hätten.

EU-Staaten fühlen sich erpresst

Auf Ungarn, Polen und Tschechien wartet nun Post aus Brüssel. Die Kommission in Brüssel fordert die Regierungen der jeweiligen Länder in Briefen dazu auf, das EU-Recht einzuhalten. EU-Migrationskommissar Avramopoulos sagte, er hoffe sehr, dass die Länder ihre Position überdenken und sich in Zukunft fair an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligten. Die ersten Reaktionen sprechen eine andere Sprache. Aus allen drei Ländern regt sich Widerstand. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto bezeichnete das Vorgehen der EU als "Erpressung und uneuropäisch" und der tschechische Regierungschef Bohuslav Sobotka teilte mit, seine Regierung sei fest entschlossen, an der Flüchtlingsaufteilung und den verpflichtenden Quoten nicht teilzunehmen. Sollten sich die drei EU-Staaten weiterhin widersetzen, kann die EU-Kommission den Fall vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg bringen.

"Politischen Willen und einen Engagement für unsere europäischen Verpflichtungen", das fordert EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos von Ungarn, Polen und Tschechien. Bis September will die EU-Kommission noch etwa 13.000 Flüchtlinge umsiedeln. Ob die Europäische Union dabei auf die drei osteuropäischen Mitgliedsstaaten zählen kann, ist fraglich.