Außenpolitische Agenda
20. März 2008DW-WORLD.DE: Professor Sandschneider, der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain ist auf Auslandsreise. Am Freitag (21.03.2008) wird er in Paris und London empfangen, zuvor war er bereits in Israel, Jordanien und - ganz überraschend - auch im Irak. Falls McCain der nächste US-Präsident werden sollte, welche Irak-Politik würde er verfolgen?
Eberhard Sandschneider: John McCain ist zwar durchaus kritisch eingestellt zur Irak-Politik von George Bush. Aber im Prinzip hat er diese Irak-Politik auch gestützt. Er vertritt die Aussage, dass man den Krieg im Irak gewinnen kann. Er wird also nicht zu denen gehören, die schnell dort abziehen wollen, sondern ein Präsident sein, der sein mögliches versucht, aus dem sich abzeichnenden Desaster doch noch einen Erfolg der amerikanischen Außenpolitik zu machen.
Der amtierende US-Präsident behandelt den Krisenherd Nahost wie ein ungeliebtes Stiefkind. Welchen Stellenwert könnte diese Region und vor allem der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bei McCain gewinnen?
Amerikanische Präsidenten entdecken die Nahost-Politik immer recht spät. Das ist jetzt auch bei George Bush so. Sie wissen, dass es in dieser Region in Anbetracht der Schwierigkeiten dort wenig politisches Kapital zu gewinnen gibt. Dass McCain sich dort anders verhalten wird, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Ich denke, dass er zunächst sein Hauptaugenmerk auf die drei sensiblen Bereiche - Afghanistan, Iran und Irak - legen wird.
Welchen Weg würde er in Afghanistan einschlagen? Die NATO kann dort immer noch keinen abschließenden Erfolg vorweisen.
Die Schwierigkeiten in Afghanistan sind offensichtlich. Wie man da erfolgreich herauskommt, weiß niemand so genau. Aber das deutet an, wie komplex die transatlantische Debatte in dieser Frage ist. Wenn man die Sinnfrage an die NATO vor dem Hintergrund des Afghanistan-Einsatzes richtet, zeigt sich, dass längst nicht alles transatlantisch so einfach sein wird - auch bei einem künftigen Präsidenten, der nicht mehr George Bush heißt. Rezepte hat eigentlich niemand, in den USA nicht - auch McCain nicht -, und in Europa nicht. Man versucht derzeit verzweifelt, sich selbst Mut zuzusprechen, um diese Mission so lange fortzusetzen, bis man vielleicht doch noch einen Ausweg findet.
Es steht zu befürchten, dass von den Transatlantikern in Europa, insbesondere von denen in Deutschland, kein Aufatmen zu vernehmen sein wird, wenn McCain gewinnt, oder?
Ich fürchte, das Aufatmen der Transatlantiker würde auch im Fall eines Wahlsiegs eines demokratischen Bewerbers nur kurz dauern. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass unsere amerikanischen Freunde - wie immer die Wahl ausgeht - auf Europa zukommen werden nach dem Motto: Wenn ihr wollt, dass wir uns etwas offener in Fragen von Multilateralismus und Zusammenarbeit verhalten, dann müsst ihr bereit sein, einen Preis dafür zu zahlen. Das führt dazu, dass man in allen Fällen des Ausgangs der amerikanischen Präsidentschaftswahl damit rechnen muss, dass Europa ein Preis serviert wird, auf den man sich hierzulande nicht wirklich freut. Denn die Kosten für das Engagement im transatlantischen Bereich werden dann eindeutig steigen. Das wird bei Herrn McCain so sein, das wird aber im Fall eines demokratischen Wahlsiegs genauso sein.
Warum reist McCain nach Paris und London, aber nicht nach Deutschland? Ein Zeichen an die deutsche Bundeskanzlerin? Lesen Sie die Einschätzung von Eberhardt Sandschneider.
In Paris wird McCain von Frankreichs Präsident Sarkozy empfangen. Die politischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern gelten seit dem US-Einmarsch im Irak als belastet. Könnte McCain dort Wunden heilen?
Wunder darf man da nicht von ihm erwarten. Der Dreh in den Beziehungen hat hier eigentlich grade durch Präsident Sarkozy stattgefunden, der deutlich aktiver, freundlicher und offener auf die Vereinigten Staaten zugegangen ist, als das sein Amtsvorgänger getan hat. Die Tatsache, dass der derzeitige französische Präsident ein klares Signal nach Washington gesendet hat, an der Verbesserung der Beziehungen nicht nur interessiert zu sein, sondern auch bereit zu sein, dafür zu arbeiten, ist schon etwas, was in Washington positiv aufgenommen wird. Wenn es allerdings zu den entscheidenden Fragen kommt, ist Frankreich notorisch bereit, zunächst einmal seinen eigenen Interessen zu folgen. Deshalb gibt es mit Sicherheit keine Garantie, dass zwischen beiden eine Friede-Freude-Eierkuchen-Beziehung entstehen wird.
In London schließt McCain seine Auslandsreise ab. Ist das die leichteste Übung, weil in den Beziehungen zu Großbritannien ohnehin "business as usual" herrscht?
"Business as usual" herrscht in der Tat vielleicht noch am ehesten in Großbritannien. Aber auch da hat sich gezeigt, dass die Situation im Irak dazu führt, dass auch in Großbritannien sehr kritisch über das Verhältnis zu den USA nachgedacht wird. Natürlich ist Großbritannien der traditionell stärkste und aus amerikanischer Sicht verlässlichste Verbündete in Europa. Insofern kommt es einem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten McCain darauf an, seiner innenpolitischen Klientel zu signalisieren, dass er a) bereit ist und b) auch fähig ist, diesen Verbündeten entsprechend zu pflegen.
Warum kommt er nicht nach Deutschland? Ist das ein Affront für Deutschland oder für die Bundeskanzlerin?
Das würde ich nicht überbewerten. Zunächst einmal stehen Reisen von Präsidentschaftskandidaten auch immer unter einem ganz erheblichen Zeitdruck. Ich kann mir vorstellen, dass es zu einem möglichen Besuch auch Sondierungen gegeben hat. Aber die offensichtliche Kollision mit der noch laufenden Auslandsreise von Frau Merkel im Nahen Osten kann ein ganz einfacher und pragmatischer Grund sein, warum McCain dieses Mal Deutschland auslässt. Bei solchen Politiker-Reisen muss man immer sehr vorsichtig sein, gleich politische Absichten in einen Reiseplan, der gelegentlich auch schlicht und einfach der unterschiedlichen Terminlage geschuldet sein kann, hineinzulesen.
Welcher Präsident, bzw. welche Präsidentin wäre aus internationaler Sicht der oder die beste: John McCain, Hillary Clinton oder Barack Obama?
Mein Eindruck ist, dass es in Deutschland schon einen Favoriten in der öffentlichen Meinung gibt, und der heißt Barack Obama. Wobei ich hinzufüge, die Erwartungshaltung, dass mit ihm alles besser werden würde - transatlantisch und in der Welt - ist vermutlich ein bisschen überzogen. Barack Obama hat den Nachteil, der ihm auch innenpolitisch zu schaffen macht, dass er noch keine nachvollziehbare außenpolitische Erfahrungsagenda hat. Auf der anderen Seite wird es mit jedem amerikanischen Präsidenten schwierig werden, die Dinge von gemeinsamem Interesse, aber auch die schwierigen Probleme, die generell grade in der Welt herrschen, in den Griff zu bekommen. Unabhängig davon, wie die Wahl in den USA ausgeht, sollte man also nicht erwarten, dass am Tag danach eitel Sonnenschein herrscht, dass alles wieder bestens ist so wie in der Zeit vor Bush. So spannungsfrei war es vor Bush übrigens auch nicht. Aber die Erwartung, dass mit einem neu gewählten amerikanischen Präsidenten alles besser wird, wird sehr schnell enttäuscht werden.
Prof. Dr. Eberhard Sandschneider ist Otto-Wolff-Direktor des Forschungsinstitutes der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die transatlantischen Beziehungen gehören zu seinen Fachgebieten.