Auf Wasserkraft gesetzt
4. Mai 2009Hoch über den dunklen Wassern des Otra-Flusses lässt Roald Tjorteland den Blick über die mächtige Staumauer und die pompöse Turbinenhalle schweifen. Das Kraftwerk Nomeland wirkt mit seinen Mauern aus Stein und Beton wie eine Kathedrale aus stolzen Pioniertagen. Beim Bau sei nicht gespart worden, sagt Tjorteland. "Heute werden 98 Prozent der elektrischen Energie im Land in den Stauwerken gewonnen. Wasser bedeutet sehr viel für uns Norweger."
Zukunftsträchtige Energie
Das Bauwerk ist von 1920, doch die Technik sei bewährt, versichert Tjorteland, der für den Stromkonzern "Agder Energi" hier nach dem Rechten sieht. Die Turbinen liefen seit fast 90 Jahren zuverlässig. "Die Jahresleistung liegt bei 170 Gigawattstunden (GWh), genug um 15.000 Haushalte zu versorgen", sagt er weiter.
Der Konzern "Agder Energi" betreibt in Norwegen drei Dutzend Wasserkraftwerke. Das Potential sei bei Weitem noch nicht ausgeschöpft, versichert man im Konzern: In den Bergen Norwegens werden kleinere Stauwerke gebaut und bestehende Anlagen mit neuen Zuleitungen und Turbinen aufgerüstet. Das Konsortium "Norger", an dem der Stromkonzern beteiligt ist, will zudem rund eine Milliarde Euro in ein neues Unterseekabel zwischen Norwegen und Deutschland investieren.
Energieaustausch bei Windstille
Das Konsortium setzt auf den zu erwartenden Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland, sagt "Norger"-Chef Edvard Lauen. "Windkraft ist stark vom Wetter abhängig, zugleich muss im Netz ein Gleichgewicht herrschen. Wenn in Deutschland starker Wind bläst und mehr grüner Strom produziert wird, als benötigt, kann man ihn über das Kabel nach Norwegen exportieren", erklärt er. Norwegens Wasserkraftwerke stellen dann ihren Betrieb ein und das Land wird von Deutschland mitversorgt. Scheint in Deutschland keine Sonne oder herrscht Windstille, werfen die Norweger ihre Wasserkraftwerke wieder an. Über das Kabel wird dann Energie aus Norwegen nach Deutschland geliefert.
Die Norweger verdienen an diesem Handel, weil sie in Zeiten der Stromknappheit viel Geld für die Energie verlangen können. Die norwegische Industrie betrachtet das Kabelprojekt jedoch kritisch. Sie fürchtet generell steigende Strompreise. Edvard Lauen dagegen sieht auch für die Kunden in Norwegen nur Vorteile: "Auch bei der Wasserkraft gibt es starke Variationen. In regenarmen Jahren könnten wir Norwegen bei stabilen Preisen so sicher versorgen."
Mehr erneuerbare Energien
Der Ausbau der Wasserkraft war in Norwegen lange Zeit umstritten. Bereits in den 1960er-Jahren kämpften Umweltschützer gegen die Betonierung der Flüsse. Seither habe man jedoch viel dazu gelernt, sagt Marius Holm, Energieexperte der Umweltorganisation "Bellona". Statt Betondämmen gebe es kleine Anlagen, die man kaum sehe, die jedoch im Verbund mit Windmühlen eine effektive und umweltfreundliche Energiequelle seien. "Wir setzen uns dafür ein, den Personen- und Güterverkehr auf grünen Strom von Sonne, Wasser und Wind umzustellen."
Autor: Alexander Budde
Redaktion: Julia Kuckelkorn