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Ausflug in den Harz

Katherine Sacks / ak6. Februar 2015

Georg Clooney war schon da und vor ihm Johann Wolfgang von Goethe. Auch DW Reporterin Katherine Sacks machte sich auf und folgte ihrer Sehnsucht nach Fachwerkhäusern und Kopfsteinpflaster.

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Gute Fernsicht auf dem Brocken
Bild: picture-alliance/dpa

Als mir eine Bekannte erzählte, dass der Harz – nur zwei Autostunden von Berlin entfernt – ähnlich bezaubernd sei wie die mittelalterliche Stadt Rothenburg ob der Tauber, kam das Mittelgebirge sofort ganz oben auf meine Ausflugsliste. Als Kind war Rothenburg im Winter das bevorzugte Ausflugsziel unserer Familie. Die verschneite Märchenlandschaft, die süßen frittierten Schneeballen und die verspielten Reiseandenken bei Käthe Wohlfahrt verkörperten für mich und meine Schwester das Ideal einer Weihnachtsstadt. In meiner kindlichen Phantasie wohnte der Weihnachtsmann in einer der engen Kopfsteinpflastergassen. Erst als Erwachsene lernte ich, dass es viel wahrscheinlicher war, auf den Straßen große Touristengruppen anzutreffen. Deshalb wurde ich neugierig, als ich von einer Alternative zu Rothenburg hörte, die außerdem noch viel näher bei Berlin lag.

Luftbild Wernigerode
Wernigerode - wegen seiner Fachwerkbauten als Urlaubsziel beliebtBild: Fotolia/ferkelraggae

An einem freien Wochenende fuhr ich also zusammen mit meinem Freund nach Wernigerode, eine der größeren Städte im Harz, um dem grauen Winter in der Hauptstadt zu entfliehen.

Wir kamen an einem frostigen Freitag in die Stadt und waren sofort beeindruckt von der regionaltypischen Szenerie, von den Fachwerkhäusern mit ihren kunstvoll verzierten Fassaden. Ein Anblick, den zuletzt auch George Clooney genutzt hat. Wenigerode war Kulisse für sein Weltkriegsdrama "Monuments Men – Ungewöhnliche Helden".

Natürlich ziert Kopfsteinplaster die engen Straßen von Wernigerode und manchmal sieht man sogar Einwohner in traditioneller Tracht. Wegen der vielen erhaltenen mittelalterlichen Gebäuden gehört Wernigerode - ebenso wie Goslar und Quedlinburg - zum UNESCO Weltkulturerbe in Deutschland.

Den Harz schmecken

Auf dem morgendlichen Spaziergang durch Wernigerode habe ich mich sofort an Kindheitserlebnisse in Rothenburg erinnert. Winzige Gassen und Gebäude, die sich aneinander schmiegen. Obwohl die alten Gemäuer moderne Geschäfte beherbergen, fühlt man sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Einige Ladenbesitzer waren überrascht, mit uns englisch sprechende Kundschaft vor sich zu haben. Anders als das wahrscheinlich in Rothenburg der Fall gewesen wäre, haben wir weit und breit keine Reisebussen gesehen, der Januar ist hier keine Hochsaison für Touristen.

Fachwerkgebäude in Wernigerode
In der Altstadt von Wernigerode locken Geschäfte mit SpezialitätenBild: DW/T. Hillard

Der Tipp für eine Harzreise kam von der Berliner Gastro-Autorin Ursula Heinzelmann, die uns auch gleich einen kulinarischen Tipp mit auf den Weg gab: Harzer Käse, eine regionale Delikatesse. Der in Geschmack wie Geruch kräftige Sauermilchkäse ist wegen seinem geringen Fettgehalt und seinem hohen Anteil an Protein beliebt bei Menschen, die auf ihre Figur achten.

Wir haben den Harzer Käse, den es in einer gereiften harten und einer jüngeren, wachsweichen Variante zu kaufen gibt, in einem Spezialitätengeschäft auf Wernigerodes Haupteinkaufstraße gefunden. In Restaurants wird er "mit Schmalz" auf Sauerteigbrot oder "mit Musik", in einer Essig-Öl-Marinade mit Zwiebeln serviert.

Frauenherrschaft und ein begrabenes Herz

Schloss Wernigerode
Schloss Wernigerode zeigt Möbel des Adels aus dem 19. JahrhundertBild: picture-alliance/ZB

Nach unserem Streifzug durch die Altstadt peilten wir das Schloss Wernigerode an, eine ehemalige Burg, die auch schon als Jagdschloss diente. Im Schloss Wernigerode kann man Räume mit historischen Möbeln betrachten ebenso wie wechselnde Ausstellungen und es gibt einen fantastischen Ausblick auf die Landschaft. Silber, Kupfer und Zinnfunde aus den nahegelegenen Bergen hatten der Region seit dem Mittelalter Wohlstand gebracht. Das machte sie für Adelige attraktiv. König Heinrich I. und seine Nachfahren ließen sich überall im Harz feudale Wohnsitze errichten.

Im nahegelegenen Quedlinburg, in der Stiftskirche St. Servatii, liegt Heinrich I. begraben. Sein Sohn Otto I. gründete zu seinem Gedenken ein Damenstift, dessen Äbtissinnen über 800 Jahre lang über Quedlinburg herrschen sollten. Und in der tausendjährigen Stadt Goslar, der bekanntesten Stadt im Harz, befinden sich die Kaiserpfalz und der Sarg mit dem Herz von Heinrich III.

Obwohl diese Reichsstätten zu einem tiefen Blick in deutsche Geschichte einladen, braucht man zur Besichtigung jeweils nur etwa eine Stunde. Sie sind trotz allem viel kleiner als etwa das königliche Sanssouci in Potsdam.

Auf Goethes Spuren

Abenteuer-, Geschichts- und Literaturfreunden wird auch eine Wanderung auf den Brocken zusagen, mit 1141 Metern der höchste Gipfel im Harz. Auch an einem nebligen Tag ist es eine schöne zweistündige Tour durch dunkle Wälder, über rauschende Bäche und schneebedeckte Ebenen.

Der mystische Wald ist Schauplatz für eine berüchtigte Szene aus Goethes "Faust", als der teuflische Mephisto den Helden mitnimmt zum Hexentanz auf dem Brocken. Bräuche und Geschichten – einige Märchen der Brüder Grimm spielen ebenfalls hier – sind allgegenwärtig, ebenso wie Hexen-Souvenirs. Die Walpurgisnacht vom 30. April auf den 1. Mai wird rund um den Brocken als großes Volksfest mit Kostümen und Feuerwerk gefeiert - inclusive einer Rock-Oper über Faust auf dem Gipfel.

Der Berg mit seiner fantastischen Aussicht liegt an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze und beherbergte einst einen sowjetischen Stützpunkt mit Überwachungsanlagen. Auf dem Gipfel dominieren heute Sendeanlagen für Fernsehen und Mobilfunk. "Der Brocken ist wieder frei", ist auf einem Felsen am Gipfel zu lesen. Für viele Deutsche ist der Berg ein Symbol der Wiedervereinigung.

Die Brockenbahn
Wer nicht wandern mag, nimmt die BrockenbahnBild: DW/T. Hillard

Nach der Gipfelbesteigung kann man mit der historischen Brockenbahn wieder zurückfahren. Wer noch mehr Bewegung braucht oder die Fahrtkosten sparen will, kann natürlich zurückwandern. Wir nehmen den Zug und haben uns für die Rückfahrt in einem kleinen Spezialitätengeschäft mit Harzer Käse, Hirschsalami und lokalem Schnaps eingedeckt.

Herzhaft Gebrautes

Wer einen ganzen Tag lang wandert, hat sich auf jeden Fall ein kühles Bier verdient. Der kleine Fluss Gose ist nicht nur Namensgeber der Stadt Goslar, sondern auch eine lokale Biersorte. Das obergärige Bier ähnelt der Berliner Weisse und enthält neben anderem auch Koriander und Salz. Wegen dieser Zusätze entspricht das Gose Bier nicht dem deutschen Reinheitsgebot, ist aber trotzdem erlaubt, weil es sich um eine regionale Spezialität handelt.

Viele Restaurants und Gaststätten in Goslar servieren das trübe Weißbier in einer hellen oder dunklen Variante. In jedem Fall erfrischender Schlusspunkt eines Winterausflugs. Und für meine erwachsenen Geschmacksnerven eine viel bessere lokale Spezialität als die süßen Rothenburger Schneeballen.