Ausgehen in Mailand
28. Januar 2009Ein Abend in Mailand beginnt beim Aperitif: Die schicken Bars im Stadtzentrum sind ab sieben Uhr abends voll. Freunde und Arbeitskollegen stimmen sich hier - an einem trockenen Martini nippend - auf die Nacht ein. Mein Lieblingsladen ist das opulente Jugendstil-Café "Victoria“ direkt hinter dem Opernhaus "La Scala“. Ich liebe die Kronleuchter und Wandspiegel und natürlich die köstlichen Häppchen, die man gratis zum Drink bekommt: Blätterteigpastetchen, eingelegte Sardellen, grüne Oliven.
Ab acht Uhr leeren sich die Bars im Zentrum. Man steigt ins Auto und fährt in eines der angesagten Stadtviertel. Besonders beliebt bei den Nachtschwärmern ist gerade das ehemalige Arbeiterquartier Bovisa, der absolute Kontrast zum schicken Mailänder Zentrum.
Die bunte Seite Mailands
Ich fahre lieber mit der Tram Nummer 1, einer nostalgisch gestylten Straßenbahn Richtung Bovisa - das hat mehr Flair. Sitzbänke aus mahagonifarbenem Holz, lederne Halteschlaufen, und ein Ruckeln in jeder Kurve.
Die Linie 1 startet mitten im Mailänder Stadtzentrum, rattert die Via Manzoni mit ihren eleganten Geschäften entlang und steuert dann nach Norden. Statt Modeboutiquen reihen sich plötzlich asiatische Lebensmittelläden, Drogerien, kleine Friseursalons und Handygeschäfte aneinander. Die Straßen sind schmutziger als im Zentrum, die Mischung der Menschen ist bunter.
Ein pulsierendes Zentrum für kreative Energien
Endstation ist die Piazza Castelli. Früher sei Bovisa ein Stadtteil der Fabriken und Arbeiter gewesen, erklärt Antonella La Seta. Sie hat diesen Stadtteil erst vor kurzem für sich entdeckt. "Als die Fabriken dann verlegt wurden ins Mailänder Hinterland machte die Bovisa wie alle Stadtrandgebiete eine schwierige Zeit durch, die jetzt endet. Heute gehört sie zu den aufstrebenden Gegenden.“
Antonella arbeitet für das Mailänder Kunstmuseum "Triennale“, eine Institution von 1913, die vor einem Jahr in Bovisa einen Ableger für Gegenwartskunst eröffnet hat. "Das war die Entscheidung unseres Chefs, der sich in Mailand umgesehen und die Bovisa als eine Gegend ausgemacht hat, die sich stark entwickelt. Insofern ist dieses Viertel wie gemacht für ein neues Zentrum für Gegenwartskunst“, sagt sie.
Vom Arbeiterviertel zum trendigen Szenetreff
Das Zentrum ist eine Blockkonstruktion in leuchtendem Weiß mit lagerhallenartigen Ausstellungsflächen und einer coolen Bar. Ein Leichtbau, Wände aus Pappmaché - nicht für die Ewigkeit gebaut. "Wir zeigen ausschließlich Gegenwartskunst in wechselnden Ausstellungen, wobei wir uns besonders für junge Künstler interessieren. Wir machen auch Konzerte, es ist wirklich immer etwas los“, beschreibt Antonella das Zentrum.
Auch heute Abend ist viel los: Über die futuristisch gestylte Theke wandern Mojitos und Daikiris, ab und zu auch ein "Negroni sbagliato“, eine Mailänder Erfindung. Das Publikum ist ein Mix aus Yuppies und Intellektuellen, darunter auch viele Studenten der nahegelegenen technischen Hochschule.
Selbstgebrautes Bier und Jazz-Sessions
Um kurz vor Mitternacht setze ich mich wieder in die Tram und fahre bis in die Via degli Imbriani, wo in einer Seitenstraße die Kunst- und Musikkneipe "Fermento“ liegt. Heute ist Jazz-Session.
Dazu gibt es knusprige Pizza und ungefiltertes Bier aus eigener Herstellung - eine echte Rarität in Italien. Trendy ist das Bierbrauen in jedem Fall. Und die Bovisa hat bei Trends meist die Nase vorn.