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Wie die Welt bunt wurde

Kim-Aileen Sterzel
11. April 2022

"Die Farbe ist Programm" in der Bonner Bundeskunsthalle: Ein bunter Querschnitt von den Anfängen der Farbfotografie, über das Farbfernsehen, bis hin zur Regenbogenflagge.

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Ein violett erleuchteter Raum, in dem einige Menschen liegen.
Im "Dream House" von La Monte Young und Marian Zazeela verschmelzen Licht und Ton zu einer neuen UmgebungBild: macLYON" collection, Foto: Blaise Adilon

Gelb soll den Appetit anregen, rot stimulieren und grün beruhigen: Über die häufig unbewussten Einflüsse von Farben gibt es unzählige Studien. In der Kunst ist die Entscheidung über ein orangefarbenes oder blaues Dreieck jedoch ein bewusstes Gestaltungsmittel, genau so wie Formen und Materialien. Neue Ausdrucksmöglichkeiten machten die Welt seit dem Beginn des Jahrhunderts der technischen Reproduzierbarkeit zunehmend bunter - so auch die Kunst.

Die Bonner Bundeskunsthalle erzählt eine kontrastreiche Geschichte über Abstraktion, Monochromie und Reizüberflutung der vergangenen mehr als 100 Jahre: "Die Farbe ist Programm - Teil 1" ist ein farbenfrohes Kaleidoskop von der Leinwand bis in den Alltag.

Erste farbliche Meilensteine im 19. Jahrhundert 

"Technik war immer auch Motor für die Entwicklung von Farbe. Wir beobachten, dass im 19. Jahrhundert, durch Farbexperimente, Farbgebungen in die Fotografie eingegangen sind", sagt Eva Kraus, Intendantin der Bundeskunsthalle und eine der Kuratorinnen der Ausstellung.

Dem schottischen Physiker James Clerk Maxwell gelang es, mit der Veröffentlichung der ersten Farbfotografie im Jahr 1861 die Theorie der additiven Farbmischung nachzuweisen. Sämtliche Farben des Regenbogens addieren sich demnach lediglich aus einem bestimmten Mischverhältnis von rot, grün und blau. Die erste Farbfotografie der Fotogeschichte ergab sich ebenfalls aus drei Diapositiven, die mit Farbfiltern aufgenommen und übereinander gelegt worden sind.

Bei Maxwells Farbfotografien handelt es sich jedoch nicht um die ersten Versuche farbliche Abbildungen herzustellen: Bereits zwei Jahrzehnte zuvor entwickelte John Herschel, ein englischer Naturwissenschaftler, die Cyanotypie oder den Eisenblaudruck. Der Name verweist dabei auf das Hauptmerkmal der Bilder: Das mit Eisensalzen behandelte Papier verfärbt sich im Sonnenlicht blau - die abgedeckten Teile bleiben weiß.

Anna Atkins Illustrationen "Photographs of British algae: Cyanotype Impressions" machten die Technik Anfang der 1840er-Jahre bekannt. Mithilfe des Verfahrens dokumentierte die Botanikern verschiedene Meeresalgen.

Das bewegte Bild: bunt und berauschend

Lichtprojektionen auf herumwirbelnder Seide: Der Serpentinentanz machte Loïe Fuller in Paris über Nacht berühmt. Die Tänzerin nutzte prothetische Armverlängerungen, um den Stoff ihres Kostüms in der Luft in Bewegung zu halten. Ende des 19. Jahrhunderts schaffte es Fullers berauschende Choreografie als einer der ersten kolorierten Filme auf die Leinwand.

BRD-Bundeskanzler betätigt den roten Knopf, um das Farbfernsehen zu starten. (25.08.1967)
Historischer Augenblick: Start des deutschen Farbfersehens durch Bundeskanzler Brandt am 25. August 1967Bild: Willi Gutberlet/dpa/picture alliance

Ein weiterer bunter Moment begann auf deutschen Bildschirmen mit einer Panne: Als Bundeskanzler Willy Brandt im August 1967 durch Betätigen eines roten Knopfes das Farbfernsehen freigeben wollte, färbte sich das Fernsehbild bereits einige Sekunden vor dem offiziellen Zeichen bunt.

Dennoch verfehlte der Effekt seine Wirkung nicht und das Farbfernseh-Erlebnis setzte sich, wenn auch zunächst sehr langsam, in der BRD durch. "Die Technologie heute, wie wir alle wissen, ist natürlich die virtuelle Welt. Da spielt Farbe eine enorm wichtige Rolle, als suggestive Kraft, als Wirkmacht", sagt Kunsthistorikerin Eva Kraus:

Farbe bekennen in der Moderne 

Der Beginn der Moderne öffnete den Ideenraum für neue Gestaltungsmöglichkeiten und Farbkompositionen. Künstlerinnen und Künstler setzten unkonventionelle Kontraste, abstrakte Statements und nutzten die Kunst als Ausdrucksmittel. Mitte der 1920er-Jahre gestaltete die Künstlerin Sophie Taeuber-Arp die "Foyer-Bar" in der Straßburger "Aubette" mit quadratischen Kacheln in den unterschiedlichsten Nuancen: "Die Bar-Aubette ist ein Fest der Farbe und man sieht die Lust und Leidenschaft von Sophie Taueber-Arp, die sich der Farbe widmet", so Kraus.

 

Innenraum der Straßburger "Aubette" (1926-1928) von Sophie Taeuber-Arp
Innenraum der Straßburger "Aubette" (1926-1928) von Sophie Taeuber-Arp: Sinnbild der klassischen ModerneBild: Sammlung Museum Haus Konstruktiv, Foto: Stefan Altenburger

Die neue Autonomie der Farben als eigenständiges Gestaltungsmittel lud wiederum Künstlerinnen und Künstler zum Experimentieren ein. So zum Beispiel den Bauhaus-Künstler Josef Albers, der mit seinen Kunstwerken wie "Hommage to the Square: Waiting" die Wechselwirkung und Wahrnehmung von Farben, Formen und Flächen erforschte.

Mittel zum Zweck im Alltag 

Die Beeinflussung durch Farben geschieht im Alltag automatisch: Das "Milka-Lila" oder "Nivea-Blau" hat sich verselbständigt, ist durch die Marken bekannt und führt im Zweifelsfall zu einer Kaufentscheidung - oder auch nicht. Diese unterbewussten Assoziationen bezeugen die "Colourmarks Billboards" von Rozbeh Asmani: Anhand der Farben auf den Plakaten lässt sich erahnen, um welche Marke es sich handelt.

Rozbeh Asmanis "Colourmarks Billboards": Zwei Leinwände mit Farbbalken hängen nebeneinander. Links: dunkelblau, rot und gelb. Rechts: gelb, orange, rot.
Rozbeh Asmanis "Colourmarks Billboards": Farben von Aldi und NormaBild: Rozbeh Asmani

Rozbehs Werke zeigen keine Logos oder weiteren Hinweise auf eine bestimmte Firma. Trotzdem erraten die Sinne anhand der Farbmarken die Großkonzerne: dunkelblau, ein bisschen rot und ganz viel gelb - das sind die Erkennungsfarben des Lebensmitteldiscounters Aldi! Die Plakate an den Wänden der Bundeskunsthalle wechseln zweimal wöchentlich und stellen während der Ausstellung immer neue konkurrierende Firmen nebeneinander. 

Die Ausstellung "Farbe ist Programm - Teil 1" läuft vom 8. April bis 7. August in der Bundeskunsthalle Bonn.