Mehr Kirchenaustritte
7. Februar 2009Jetzt zeigt die Wiederaufnahme des Traditionalisten-Bischofs Richard Williamson in die katholische Kirche konkrete Auswirkungen: In Deutschland häufen sich die Kirchenaustritte. Dabei wird als Grund die Holocaust-Leugnung durch Richard Williamson genannt. In einem Fernsehinterview hatte der Brite erklärt, historische Fakten sprächen gegen die Existenz von Gaskammern. Es seien nicht sechs Millionen Juden von den Nazis ermordet worden, sondern 200 000 bis 300 000 - aber keiner von ihnen in Gaskammern. Trotz aller Empörung und Kritik will der umstrittene Holocaust-Leugner seine Thesen zum Mord an den Juden vorerst nicht widerrufen. Das sagte er in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Er wolle zunächst die historischen Beweise prüfen: "Und wenn ich diese Beweise finde, dann werde ich mich korrigieren. Aber das wird Zeit brauchen", fügte Williamson hinzu.
Obwohl sich Papst Benedikt XVI. gegen derartige Äußerungen gewandt hat, habe "die Austrittswelle bereits eingesetzt", bestätigte Pater Eberhard von Gemmingen, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, gegenüber der Zeitung "Passauer Neue Presse" am Samstag (07.02.2009). Austreten kann man allerdings nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In anderen Ländern ist dies gar nicht möglich, weil die Taufe nicht rückgängig gemacht werden kann.
Hoffnung auf Papstbesuch in Deutschland
Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Papst und den deutschen Katholiken ist nach Meinung von Pater Eberhard von Gemmingen "ein wenig lädiert". Der geplante Papstbesuch in Deutschland im kommenden Jahr könne diese Situation möglicherweise verbessern. "Es schmerzt, wenn man sieht, dass viele Menschen Rom und den Papst nicht mehr verstehen", sagte Gemmingen. Gleichzeitig äußerte er Skepsis, ob der Papst seine geplante Israel-Reise antreten werden: "Ob sie wirklich zustande kommt, ist noch sehr offen", sagte Gemmingen. Aus Israel allerdings gebe es keine Signale, dass die Reise in Frage stehe.
Deutliche Kritik äußerte Gemmingen am Vorgehen des Vatikan. "Hier handelt es sich nicht nur um ein Kommunikationsproblem." Es gebe auch ein Organisationsproblem. Vatikansprecher Federico Lombardi spricht im Streit um die Traditionalisten-Bischöfe von einer Kommunikationsschwäche der Kurie. Das Dekret zur Wiederaufnahme der umstrittenen Bischöfe der Piusbruderschaft sei hastig zusammengeschrieben worden, und keiner aus der Pressestelle habe darüberschauen können, sagte Lombardi der französischen katholischen Tageszeitung "La Croix" am Freitag.
Schaden nimmt zu
Wie sehr dem Papst die gesamte Affäre schadet, zeigt sich auch in einer aktuellen, repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD-Fernsehsendung "Tagesthemen". Danach zeigten sich nur noch 42 Prozent der Bundesbürger mit seiner Arbeit sehr zufrieden oder zufrieden. Bei Benedikts Amtsantritt vor fast vier Jahren hatten noch fast zwei Drittel der Deutschen (63 Prozent) von einer guten Wahl gesprochen.
Der Bonner Politikwissenschaftler und Parteienforscher Gerd Langguth hält die Piusbruderschaft gar für einen "Fall für den Verfassungsschutz". In einem Fernseh-Interview sagte Langguth, die Pius-Bruderschaft strebe einen "katholischen Gottesstaat an". "Es geht um eine Frage des Verhältnisses dieser Organisation zur freiheitlichen und demokratischen Grundordnung, das infrage steht." Der ehemalige Schüler und Weggefährte des Papstes, der emeritierte Regensburger Theologieprofessor Wolfgang Beinert, bezeichnet die Piusbruderschaft als "reaktionär und demokratiefeindlich". (wd/fg)