Ausweisung westlicher Diplomaten?
22. Juni 2009Die iranische Regierung hält die Kritik des Westens an den Vorgängen in Teheran für ungerechtfertigt: Es handele sich bei der Wahl um eine innere Angelegenheit, so die Regierung Ahmadinedschads. Jegliche Einmischung westlicher Länder hat sich der Staatschef verbeten.
Da die kritischen Stimmen aus vielen europäischen Ländern jedoch nicht abreißen, erwägt der Iran jetzt einen drastischen Schritt: Das Außenamt und das Parlament würden am Montag (22.06.2009) über eine Ausweisung westlicher Diplomaten beraten, erklärte Außenamtssprecher Hassab Ghaschghawi in Teheran. Parlamentspräsident Ali Laridschani rief dazu auf, die Beziehungen zu Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu überprüfen.
Kritik aus Europa
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte gefordert, die Stimmzettel im Iran noch einmal auszuzählen. "Deutschland steht auf Seiten der Menschen im Iran, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausüben wollen", erklärte die Kanzlerin. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: "Der Iran steht am Scheideweg. Entweder gelingt es jetzt, im Dialog aller politischen Kräfte die entstandene Situation wieder zu entschärfen, oder die Lage droht weiter zu eskalieren."
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy bezeichnete das Verhalten der iranischen Führung gegenüber den Demonstranten als "unentschuldbar". Was derzeit in dem Land passiere, sei äußerst beunruhigend, sagte Sarkozy in einem auf der Internetseite des Elyséepalastes veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Qatar News. Die iranische Führung verweigere den Menschen elementare demokratische Rechte. Das Volk habe ein Recht auf "Transparenz und die Wahrheit". Ähnlich äußerten sich weitere europäische Spitzenpolitiker.
Mehr Wähler als Wahlberechtigte
Unterdessen mehren sich die Anzeichen für einen massiven Wahlbetrug: Nach Erkenntnissen des Wächterrats gab es in 50 iranischen Städten mehr Wähler als Wahlberechtigte. Der Sprecher des Wächterrats sagte im Fernsehsender IRIB, die Unregelmäßigkeiten beträfen mehr als drei Millionen Stimmen. Es müsse jedoch noch geprüft werden, ob diese Stimmen für den Wahlausgang entscheidend gewesen seien, betonte er.
Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte nach offiziellen Angaben bei der Wahl vor anderthalb Wochen fast 63 Prozent der Stimmen erhalten, der Oppositionskandidat Mir Hussein Mussawi kam demnach auf knapp 34 Prozent.
In der Islamischen Republik Iran ist der Wächterrat ein mächtiges Kontrollorgan. Seine Mitglieder prüfen bei allen vom Parlament vorgelegten Gesetzen, ob sie mit den islamischen Grundsätzen übereinstimmen. Außerdem hat der Wächterrat bei allen weitreichenden politischen Entscheidungen das letzte Wort.
Mussawi ruft zu weiteren Protesten auf
Oppositionsführer Mussawi rief unterdessen seine Unterstützer zu weiteren Demonstrationen gegen die umstrittene Wiederwahl von Ahmadinedschad auf. Gleichzeitig riet er ihnen aber auch, angesichts des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte Zurückhaltung zu üben.
Der Reformpolitiker warf der Regierung vor, für den Tod mehrerer Demonstranten verantwortlich zu sein. Die Weigerung des Innenministeriums, die Kundgebungen am Samstag in Teheran zu erlauben, habe erst zu den gewaltsamen Zusammenstößen geführt. Die Sicherheitskräfte dürften nicht zulassen, dass ihr Verhältnis zum Volk "nicht wieder gutzumachenden Schaden erleidet".
Tote und Verletzte
Nach offiziellen Angaben wurden bei den Protesten am Wochenende zehn Menschen getötet, Hunderte weitere verletzt und mehr als 450 festgenommen. Oppositionelle sprechen von mindestens 200 weiteren Festnahmen. Die Gesamtzahl der Toten seit Beginn der Proteste am 13. Juni dürfte zwischen 18 und 25 liegen.
Augenzeugen berichten weiter von Schüssen, die aus mehreren Teilen der iranischen Hauptstadt zu hören gewesen seien. In Sprechchören sollen Gegner des ultrakonservativen Präsidenten Ahmadinedschad immer wieder "Allah ist groß" und Mussawis Namen gerufen haben. Auch "Tod dem Diktator" sei immer wieder zu hören gewesen. Nähere Einzelheiten - etwa über mögliche weitere Opfer - wurden nicht bekannt.
Mussawi spricht Angehörigen sein Mitgefühl aus
"Die Menschen sind von den herzerschütternden Nachrichten über den Tod einer weiteren Gruppe von Demonstranten schockiert und am Boden zerstört", erklärte Mussawi. Gleichzeitig sprach er den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. "Auf Menschen schießen, die Stadt zu einer Kaserne machen und andere Formen der Machtdemonstration" würden nicht helfen, das Problem zu lösen.
Schon vor den Demonstrationen sollen Dissidenten und Journalisten, aber auch frühere Regierungsmitglieder festgesetzt worden sein. Darüber hinaus schränkte die iranische Regierung die Berichterstattung der ausländischen Medien immer weiter ein. Erneut wurden Journalisten festgenommen oder des Landes verwiesen. (gri/ako/dpa/afp)