Bauernproteste: Feindbild Grüne
28. Februar 2024Als die Vorsitzende der Partei Bündnis'90 / Die Grünen, Ricarda Lang, Ende Februar in Magdeburg bei ihren Parteifreunden eintrifft, sind die Bauern schon da. 200 Landwirte mit 90 Traktoren bereiten der Chefin der deutschen Regierungspartei einen ungemütlichen Empfang: Hupkonzert, gebrüllte Parolen, Feuer. Als sie wieder abreisen will, blockiert die Menge ihr den Weg.
Begleitet wird die vergleichsweise kleine Aktion von erheblichem Getöse in den sozialen Medien. Dort feiern auch Rechtsextremisten den Protest gegen die Grünen und heizen ihn an. So wie Martin Sellner.
Sellner ist einer der aktivsten Netzwerker im extrem rechten Milieu. Schlagzeilen machte er im Januar 2024, als ein Medienkollektiv über seine Deportationsphantasien berichtete: auf einem Netzwerktreffen referierte er über mögliche Vertreibungen von Asylbewerbern und Migranten - und das auch wenn sie Deutsche sind.
Rechtsextreme Mobilisierungsversuche
Kurz nach dem Protest in Magdeburg postet Martin Sellner auf seinem Telegram-Kanal: "Die Bauern lassen nicht locker! Von mir bekommen sie vollste Solidarität!"
Auch der Neonazi Michael Brück träumt angesichts der Bauernproteste schon vom großen Umsturz und solidarisiert sich mit den Landwirten. Dabei fordert er seine Anhänger auf, vom Menschenschlächter Mao Tse Tung zu lernen: "Was Mao in China wusste, das trifft auch auf uns in Sachsen zu und zeigt, mit wem wir zusammen arbeiten sollten", schreibt er im Januar 2024 auf seinem Telegram-Kanal. "Denn Mao sagte einst: Alles was der Feind bekämpft, müssen wir unterstützen. Alles was der Feind unterstützt, müssen wir bekämpfen."
Die deutschen Sicherheitsbehörden beobachten die rechtsextreme Begleitmusik der Bauernproteste aufmerksam. Eine Sprecherin des Innenministeriums im größten Bundesland, Nordrhein-Westfalen, erklärt auf Anfrage der DW die Taktik der Szene: "Durch die Verbreitung regierungskritischer bis hin zu -feindlicher Inhalte versuchen die extremistischen Szenen die Bauernproteste für sich zu instrumentalisieren, um ins bürgerliche Milieu anschlussfähig zu werden."
Sicherheitsbehörden sehen kaum Erfolge
Ähnliche Beobachtungen macht auch der Verfassungsschutz des zweitgrößten Bundeslandes Bayern: "Trotz der Vielzahl an Mobilisierungsaufrufen und der umfangreichen Thematisierung der Proteste durch die genannten extremistischen Gruppierungen, blieb die erwartete Teilnahme weitgehend aus," teilt ein Sprecher der Behörde der DW mit.
Für Bayern stellt der Verfassungsschutz fest, dass sich die Bauern auch immer wieder klar gegen rechtsextreme Einflüsse abgrenzten "und eine extremistische Beteiligung auch in Form von Redebeiträgen konsequent ablehnten", so der Sprecher des Verfassungsschutzes.
Die Bauernproteste selbst werden von den Behörden nicht beobachtet. Dazu gibt es keinen Anlass, so die Sprecher auf DW-Anfrage. Denn sie fallen unter die demokratische Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Vizekanzler: "Aus Worten werden Taten"
Dass aber vor allem rechtsextreme Aktivisten versuchen, die Stimmung gegen die grüne Regierungspartei aufzuheizen, treibt auch den grünen Vizekanzler um: Robert Habeck, Wirtschaftsminister in der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen. Auch Habeck geriet schon ins Visier der Bauern. Beim Protest gegen ihn mischten sich Rechtsextremisten unter die Protestierenden.
Am Rande einer Klausur der grünen Bundestagsfraktion am 27. Februar 2024 äußerte sich Habeck ausführlich zu den Angriffen gegen seine Partei: "Verrohung ist das Kampfmittel des Populismus: Probleme, die das Land zu bestehen hat, so zu überzeichnen, dass alle sich anbrüllen und eine Lösung nicht mehr möglich ist." Das Ziel sei am Ende, die Demokratie zu beschädigen.
Habeck warnte auch vor den Konsequenzen der Hetze - vor allem in den Sozialen Medien: "Aus Worten werden Taten." Damit spielt er auf den Mord des CDU-Politikers Walter Lübcke im Jahr 2019 an. Der wurde von einem Rechtsextremisten erschossen, weil er die Asylpolitik der damaligen Kanzlerin Angela Merkel unterstützte. Der Täter hatte sich zuvor im Netz radikalisiert.
Habeck: Erfolge der Grünen provozieren
Warum werden aber gerade die Grünen so aggressiv angegriffen? Habeck hat dafür seine Erklärung: "Für Populisten sind nicht andere Populisten die Herausforderung, sondern die, die den Kompromiss suchen." Die Grünen hätten in den vergangenen Jahrzehnten das Land freier und fortschrittlicher gemacht. Der Machtanspruch, der aus diesen Erfolgen entstanden sei, würde die Gegner provozieren.
Die grünen Spitzenpolitiker warnen davor, dass Deutschland in Spaltung und Polarisierung verloren gehen könnte. Umso wichtiger seien die bundesweiten Proteste für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, , sagte Vizekanzler Robert Habeck: "Und deswegen ist mir nicht bange."