Bayern gibt NS-Raubkunst an Erben zurück
5. August 2019Fünf Gemälde, drei Farbstiche und eine Holztafel mit Elfenbeinreliefs - diese Kunstwerke sind nun endlich wieder im Besitz der rechtmäßigen Eigentümer. Bayerns Kunstminister Bernd Sibler (CSU) und der Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums, Frank Matthias Kamel, haben die Werke offiziell den Erben des jüdischen Ehepaars Davidsohn aus München überreicht.
"Dass der Freistaat Kunstwerke restituiert, die ihren ursprünglichen Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden, ist selbstverständlich", sagte Sibler bei der Feierstunde zur sogenannten Restitution, also der Rückgabe der Werke. Unter anderem wurden Erben in London, Tel Aviv und Simbabwe berücksichtigt. Erbenvertreter Hardy Langer dankte den bayerischen Provenienzforschern, die den Verbleib und die rechtmäßigen Erben recherchiert hatten, für ihren "großen Einsatz im Sinne der Aufklärung und Gerechtigkeit".
Laut dem Ministerium hatte die Geheime Staatspolizei der Nationalsozialisten (Gestapo) am 25. November 1938 eine staatliche Kunstraubaktion durchgeführt, auch in der Wohnung von Julius und Semaya Franziska (Simone) Davidsohn in München-Lehel. Beide Ehepartner wurden ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo Julius Davidsohn im August 1942 ermordet wurde. Im April 1943 starb auch seine Frau.
Schwierige Suche nach den Erben
Die Bilder gingen nach der Befreiung von den Nationalsozialisten in den Besitz des Freistaats Bayern über, der sie ab 1955 in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, dem Bayerischen Nationalmuseum und der Staatlichen Graphischen Sammlung verwahrte. Dort blieben die Werke erst einmal, weil die Rückgabe von NS-Raubgut erst viel später thematisiert wurde: "Diese Fragen kamen eigentlich erst um die Jahrtausendwende wieder wirklich richtig in den Fokus", sagte Kunstminister Sibler dem Bayerischen Rundfunk. Die Beschlagnahmung selbst sei zwar von den Nationalsozialisten genau dokumentiert worden, allerdings gestaltete die Rückgabe laut Sibler aus anderen Gründen schwierig: "Aufgrund des Holocaust waren keine Kinder zu finden, und es war dann die Frage, wer erbberechtigt ist. Das waren schwierige juristische Auseinandersetzungen."
Die Rückgabe der Kunstwerke sei für den Minister ein sehr emotionaler Punkt, "denn wenn man mit den Angehörigen, mit den Überlebenden aus dem Holocaust, zu tun hat, dann kann das einen nicht kalt lassen".
Stärkere Suche seit Gurlitt
Seit 1998 bzw. 2001 koordinieren alle 16 Bundesländer und der Bund den Umgang mit Raubkunst in einer gemeinsamen Stelle, dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und dessen Recherche-Datenbank "Lost Art". Die sogenannte Provenienzforschung, die sich mit den früheren Besitzern beschäftigt, rückte 2013 in den Fokus der breiten Öffentlichkeit, als in der Münchener Wohnung des inzwischen verstorbenen Sammlers Cornelius Gurlitt eine umfangreiche Kunstsammlung gefunden wurde. Mehrere hundert Werke standen im Verdacht, von Nationalsozialisten geraubt worden zu sein. Infolge des Funds gründete Bayern 2015 einen Forschungsverbund. Dieser restituierte im vergangenen Jahr Raubkunst in insgesamt 12 Fällen.
ehl/kle (BR, dpa, kna, lostart.de, Kunstministerium Bayern)