Bayers unendliche Glyphosat-Geschichte
27. Mai 2021Der Chemiekonzern Bayer muss bei einem entscheidenden Teil seines milliardenschweren Glyphosat-Vergleichs in den USA erneut einen Rückschlag einstecken. Der zuständige US-Bezirksrichter Vince Chhabria lehnte auch den nachgebesserten Deal mit Klägeranwälten über den Umgang mit künftigen Klagen ab und nannte diesen schlichtweg "unvernünftig".
Richter Chhabria hatte am Mittwoch den Antrag der Leverkusener abgelehnt, eine Beilegung künftiger Streitigkeiten gegen Zahlung von zwei Milliarden US-Dollar (gut 1,6 Milliarden Euro) vorläufig zu genehmigen. Der Vorschlag war Teil einer größeren Einigung im Zusammenhang mit Glyphosat-Klagen.
Die Konflikte um Glyphosat hatte sich der Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern mit der milliardenschweren Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto 2018 aufgehalst. Ein Kassenschlager von Monsanto ist der Unkrautvernichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat.
Nur kleiner Teil des Umsatzes gefährdet
Der Konzern werde "umgehend mit Partnern den zukünftigen Weg diskutieren", kündigte Vorstandschef Werner Baumann am Donnerstag an. "Dazu gehört die Zukunft von Glyphosat-basierten Produkten in diesem Markt und die Möglichkeiten von alternativen Wirkstoffen." Die Bayer-Aktie verlor am Donnerstag mehr als fünf Prozent und war mit Abstand schwächster Wert im Leitindex Dax.
Die überwiegende Mehrheit der Kläger im Rechtsstreit um die angebliche krebserregende Wirkung von Glyphosat hat Roundup privat verwendet. Das Geschäft mit diesen macht nur einen geringen Teil des Roundup-Umsatzes aus. Die Erlöse im Gartensegment betragen nach Angaben von Bayer rund 300 Millionen Euro im Jahr.
Insgesamt erzielte der Konzern im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte seiner Herbizid-Umsätze von rund fünf Milliarden Euro mit Roundup-Produkten. Die Überlegungen betreffen Baumann zufolge nicht das wichtige Geschäft mit der Landwirtschaft.
Wie schädlich ist Glyphosat wirklich?
Bayer teilte weiter mit, entscheidend sei, dass sowohl die Wissenschaft als auch die Schlussfolgerungen von sämtlichen Regulierungsbehörden weltweit die Sicherheit von Glyphosat-basierten Herbiziden weiterhin bestätigten. Vergangene Woche habe die US-Umweltbehörde EPA bei einem US-Berufungsgericht eine Stellungnahme eingereicht, in der sie erneut bestätigt habe, dass von Glyphosat "keine bedenklichen Risiken für die menschliche Gesundheit ausgehen".
Bayer treffe diese Maßnahmen also allein aus dem Grund, "die Rechtsrisiken zu minimieren, nicht weil wir Bedenken in Bezug auf die Sicherheit der Produkte hätten", hieß es weiter. Zudem prüfe Bayer, wie ein unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium eingerichtet werden könnte, in dem externe Experten die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Sicherheit von Roundup überprüfen.
Suche nach neuer Strategie
Nach der erneuten Schlappe vor Gericht will Bayer auch sein Vorgehen bei Vergleichen zu aktuellen Klagen prüfen. Das Unternehmen sei weiter offen für Verhandlungen und wolle die Klagen gütlich beilegen - "soweit die Kläger den Teilnahmekriterien entsprechen und angemessene Ergebnisse erreicht werden können". Allerdings behalte sich Bayer vor, "regelmäßig zu prüfen, ob dieser Ansatz noch im besten Interesse des Unternehmens ist."
Für den Umgang mit künftigen Klagen prüft der Konzern nun andere Lösungen. "Unser Ziel war immer, die Risiken möglicher künftiger Rechtsstreitigkeiten zu minimieren. Wir sind überzeugt, dass der zuletzt dem Gericht vorgelegte Lösungsmechanismus der fairste und effizienteste Weg war, das zu erreichen. Aber er ist auf keinen Fall der einzige Weg", sagte Baumann.
Urteil erst im Sommer 2022
Das nun gescheiterte zwei Milliarden Dollar teure Paket für den Umgang mit möglichen künftigen Klagen ist Teil des umfangreicheren, fast 12 Milliarden schweren Glyphosat-Vergleichs, den Bayer im vergangenen Sommer angekündigt hatte.
Noch stehen für knapp 30.000 der zuletzt bekannten insgesamt 125.000 eingereichten und drohenden Klagen Einigungen aus. Die Berufungsverfahren für bereits verlorene Klagen will Baumann weiter vorantreiben und bis vor das Oberste Gericht der USA ziehen. Ein mögliches Urteil des Supreme Court könnte Mitte kommenden Jahres erfolgen.
dk/hb (dpa, rtr, afp)