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Beck: "Schwule in Serbien leben in ständiger Angst"

Jakov Leon28. September 2014

Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck ist nach Serbien zur Gay Pride Parade gereist, die unter starkem Polizeischutz stattfand. Im DW-Interview kritisiert er die Diskriminierung von Homosexuellen im Balkan-Staat.

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Grünen-Politiker Volker Beck (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Serbien hat den Status eines EU-Beitrittskandidaten, aber man hört immer wieder, wie schwierig es ist, dort als Schwuler zu leben. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Volker Beck: Die Situation der Homosexuellen in Serbien ist sehr schwierig. Sie erleben nicht nur Diskriminierung und Ausgrenzung, sondern werden auch psychisch und physisch angegriffen. Das macht ein Coming-Out nahezu unmöglich und zwingt Menschen, ihre Identität zu verheimlichen. Lesben und Schwule leben deshalb in ständiger Angst. Viele von ihnen wollen Serbien verlassen, weil sie keine Hoffnung mehr haben, dass sich etwas ändert.

Ist die Homophobie in Serbien sogar stärker verbreitet als in anderen Ländern der Region - und wenn ja, warum?

Das Besondere an der Situation in Serbien ist, dass diese aggressiv homophobe Stimmung auch von Politikern und Vertretern der serbisch-orthodoxen Kirche verbreitet wird. Mit einem drohenden Verweis auf die gewalttätigen Ausschreitungen in der Vergangenheit hat der Patriarch diese Woche das Verbot der Pride Parade (CSD - Christopher Street Day) gefordert. Solche hetzerischen Äußerungen aus Politik und Kirche legitimieren Hooligans zur Gewalt. Bereits in den letzten drei Jahren wurde der CSD wegen Gewaltandrohungen aus nationalistischen und klerikalen Kreisen verboten. Die Regierung und die Polizei entziehen sich ihrer Verantwortung, anstatt ihre Bürger bei der Wahrnehmung ihrer demokratischen Grundfreiheiten zu schützen, und lassen Gewaltbereite diktieren, wer auf der Straße demonstrieren darf.

Die CSD-Parade in Belgrad wurde in den letzten Jahren immer wieder wegen angeblicher Sicherheitsbedenken verboten. Doch Sie waren überzeugt, dass die Schwulen-Parade in Belgrad dieses Mal unbedingt stattfinden sollte. Wieso?

Nur so können wir zeigen, dass Demokratie und Menschenrechte stärker sind als Hass und Gewalt. Wenn wir dieses Jahr nachgeben würden, würde das bedeuten, dass Gewalttätigkeit und Hetze gesiegt haben. Das können wir aus Solidarität mit den Lesben und Schwulen in Serbien nicht zulassen. Ein Staat muss die Wahrnehmung der demokratischen Grundfreiheiten seiner Bürger schützen. Wenn er das nicht kann oder will, kommt das nichtstaatlicher Verfolgung gleich.

Kann die Parade in Serbien wirklich etwas an der Lage der Homosexuellen ändern? Auf der einen Seite haben sie das Recht, auf die Straße zu gehen und für Gleichberechtigung zu kämpfen. Andererseits sieht die Mehrheit in Serbien diese Veranstaltungen als Provokation.

Homophobie können wir nur dann bekämpfen, wenn wir als Schwule und Lesben Gesicht zeigen. Nur so können Vorurteile abgebaut werden und nur so kann eine demokratische Zivilgesellschaft langsam reifen. Und genau davor haben Homophobe Angst und protestieren so massiv gegen den CSD. Überall auf der Welt haben wir es mit einem ähnlichen Prozess zu tun. Zunächst muss das Thema enttabuisiert werden und die Homosexuellen müssen sichtbar werden. Und wenn Menschen Lesben und Schwulen kennenlernen, dann revidieren sie ihre Klischees. Außerdem hilft ein CSD all denen, die sich aus Angst nicht trauen, zur eigenen Identität zu stehen. Homo- aber auch heterosexuelle Menschen auf den Straßen von Belgrad, die für ihre Rechte kämpfen, werden ihnen den Mut geben, so zu leben, wie sie sind.

Der Grünen-Politiker und Menschenrechtler Volker Beck ist seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestags.