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"Bedeutung der Wahl nicht hoch genug einzuschätzen"

Karin Kails6. Juli 2012

EU-Wahlbeobachter Alexander Graf Lambsdorff hofft auf freie und faire Wahlen in Libyen. Sorgen bereiten ihm vor allem mögliche Unruhen im Osten, so der FDP-Politiker im Interview mit der Deutschen Welle.

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Alexander Graf Lambsdorff (Foto: privat)
Bild: lambsdorffdirekt.de

Deutsche Welle: Welchen Eindruck haben Sie bislang gewonnen, mit welchen Erwartungen gehen die Libyer zur Wahl?

Alexander Graf Lambsdorff: Diejenigen, die an diesem Prozess teilnehmen, freuen sich darauf, endlich ihren demokratischen Überzeugungen an der Wahlurne Ausdruck verleihen zu können - und das sind ganz viele, denn 80 Prozent der Menschen haben sich registrieren lassen, um wählen zu können. Endlich können sie ihre Leute - seien es regionale Interessenvertreter, seien es Parteien oder unabhängige Kandidaten - nach Tripolis schicken, in ein Parlament, das demokratisch legitimiert arbeiten kann. Da kochen die Emotionen schon mal hoch, da fließen Tränen. Es ist weniger als ein Jahr seit dem Fall Gaddafis vergangen. Dafür ist dieses Land schon bemerkenswert weit gekommen, und wir werden jetzt schauen, ob die Wahl diese Entwicklung weiter stabilisieren kann.

Wahlwerbung in Tripolis (Foto: DW/ E. Zouber)
Wählen gehen! Wahlwerbung für Frauen in TripolisBild: DW

Im Osten des Landes wurden Büros der Wahlkommission überfallen und Stimmzettel in Brand gesetzt. Befürchten Sie, dass solche Vorfälle die Wahl überschatten könnten?

Es kann sein, dass es an der einen oder anderen Stelle dazu kommt, dass aufgrund von Störungen bestimmte Wahllokale nicht aufmachen können. Das größte Risiko ist jetzt, dass im Osten des Landes Unruhen ausbrechen könnten. Aber alle Beobachter, auch unsere Teams vor Ort, sagen: Natürlich gibt es Störer, aber die sind nicht so relevant, dass der gesamte Prozess entgleiten könnte. Das sind immer Momentaufnahmen. Es kann natürlich noch eine Entwicklung eintreten, die wir im Moment nicht vorhersehen können, aber im Großen und Ganzen bin ich optimistisch. Das Sicherheitskonzept sieht vor, dass alle Wahllokale waffenfrei sein müssen. Das ist in Libyen so kurz nach der Revolution keine Selbstverständlichkeit. Wenn das Sicherheitskonzept umgesetzt werden kann, hoffe ich sehr auf eine friedliche Wahl.

Wahlvorbereitungen in der zentralen Wahlkommission (Foto: DW/E. Zouber)
Wahlvorbereitungen in der zentralen WahlkommissionBild: DW

Welche Rolle spielt diese Wahl für die Zukunft Libyens?

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, eine Wahl noch keine Demokratie. Das ist völlig klar, das wissen auch alle Menschen, die in Wahlbeobachtungsmissionen arbeiten. Der Übergang zur Demokratie ist ein viel längerer Prozess, der viel mehr erfordert als eine Wahl, auch wenn diese erfolgreich ist. Was eine Wahl aber leisten kann ist Folgendes: Sie kann ein Land zusammenbinden, wenn die Ergebnisse akzeptiert werden von den Menschen, weil sie das Gefühl haben, dass die Wahl fair und gerecht war. Dann geht man aus einer Phase der Unruhe, der Revolution und eines nicht gewählten Übergangsparlaments über in eine demokratisch legitimierte, stabile politische Phase. Das kann eine Wahl leisten, und ich glaube, deswegen kann man, wenn es gut geht, die Bedeutung dieser Wahl gar nicht hoch genug einschätzen.

Sie beobachten die Wahlen für die Europäische Union. Welche Bedeutung hat dieser Prozess aus europäischer Sicht?

Der Inselstaat Malta liegt hier quasi direkt vor der Küste, Italien und Frankreich auf der gegenüber liegenden Seite des Mittelmeers. Mit anderen Worten: Das ist ein Nachbarland der Europäischen Union. Libyen hofft auf europäische Unterstützung. Die Offenheit, die uns hier entgegengebracht wird, verbindet sich auch mit der Erwartung, dass wir weiter helfen. Nach der libyschen Revolution, bei der die Rolle Europas ja prägend war, ist es ganz klar, dass Europa weiter eine Verantwortung hat, diesen Prozess demokratisch zu begleiten.

Frau im Wahllokal mit Tinte am Finger (Foto: Claudia Levetzow/lbn)
Exil-Libyer in Deutschland haben ihre Stimme schon abgegebenBild: picture alliance / dpa

Für Libyen ist es ja eine historische Wahl, die erste seit 1965. Wie nehmen Sie persönlich das wahr?

Ich freue mich natürlich darüber, hier helfen zu können, dass Libyen den Weg zur Demokratie weiter gehen kann. Wenn Sie Menschen begegnen, die unter Gaddafi im Gefängnis waren, weil sie sich demokratisch organisieren wollten und die jetzt die Chance haben, als Kandidat bei einer demokratischen Wahl anzutreten, dann ist das einfach bewegend und geht einem nah.

Der deutsche Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff (FDP) beobachtet als Leiter einer EU-Gruppe die Wahlen zur verfassungsgebenenden Versammlung in Libyen am Samstag (07.07.2012).