Beethovenjubiläum eröffnet mit Hauskonzerten
16. Dezember 2019Zum ersten Mal haben Ludger Petermeier und Sibylle Krantz das Musikzimmer im ausgebauten Dachboden ihres "Blauen Hauses" für Gäste zur Verfügung gestellt. Für Menschen, die sie teilweise gar nicht kannten. Sie sind eine von über 800 Familien, Institutionen und Einrichtungen, die sich mit Hauskonzerten und künstlerischen Aktionen in ganz Deutschland für das Projekt "Beethoven bei uns" angemeldet haben.
Doch nicht immer geht es nur um den großen deutschen Komponisten. Im Hause der Familie Petermeier-Kranz werden später auch Töne von den Kanaren angestimmt. Zwar war Beethoven nie auf den Kanaren, erklärt Ainoa Pádron, Klavierlehrerin des Hauses, aber sie selbst stammt von dort, genauer gesagt von der Insel Teneriffa. Dann spielt sie 12 Deutsche Tänze von Ludwig van Beethoven und noch zwei Beethovenlieder - zusammen mit dem Tenor Javier Alonso.
Mit Beethoven den Gemeinschaftssinn fördern
"Wir wollten das Beethoven Jubiläumsjahr bei den Menschen beginnen lassen und nicht in der Elfenbeinturm-Atmosphäre im Konzertsaal", erläutert Andreas Kern, der das Projekt für die Beethoven Jubiläumsgesellschaft BTHNV entwickelt hat. "Die Hauskonzerte sollen dabei auch den Gemeinschaftssinn fördern", sagt Kern im Gespräch mit der DW. Der Begriff "Haus" ist weit gefasst. Vom Seniorenheim über Musikschulen, Bibliotheken, Cafés bis hin zu privaten Haushalten ist alles dabei.
In Bonn Bad Godesberg hat die Bezirksverwaltung die Türen in ihrem klassizistischen "Haus an der Redoute" geöffnet unter dem Motto „Von Bonn bis Buenos Aires". Es erklingt Musik von der barocken Sonate bis zu expressiven Tangoklängen, dargeboten von der Harfistin Johanna Single und der Flötistin Jennifer Seubel (siehe Bild ganz oben).
Stefan Hiby hat im bayrischen Salz einen ehemaligen Bauernhof restauriert und in die alte Fachwerk-Scheune zu einem Gesprächskonzert eingeladen: musikinteressierte Biobauern aus dem Umfeld können hier Beethovens erste Cellosonate genießen. Der Gastgeber selbst spielt dazu Klavier, seine Nachbarin Sabina Huy das Cello. "Wir wollten mal eine andere Seite von Beethoven zeigen, nicht den widerspenstigen, sondern den freundlichen, kommunikativen Menschen", sagt Hiby. In jungen Jahren, als seine Cellosonate entstand, soll der Abenteurer Beethoven recht ausgelassen gewesen sein.
Viele Orte, verschiedene Gastgeber
Nicht nur die Aufführungsorte und Programme sind vielfältig, sondern auch die Gastgeber. In Düsseldorf hat die Ministerin für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen, Isabel Pfeiffer-Poensgen, eingeladen, in Bonn der Südkoreanische Generalkonsul Dooyoung Lee. Sogar die Deutsche Botschaft in Buenos Aires macht mit.
Besonders spektakulär und ungewöhnlich war das Event im "Palais Horst" von Gastgeber Horst Burbulla. Er und seine Frau hatten ihr ganzes Wohnzimmer geräumt, um Platz zu schaffen: nicht nur für Gäste, sondern gleich für ein halbes Sinfonieorchester. 40 Musikstudierende und junge Profi-Musiker aus Köln und Aachen hatte Burbulla eigens für das Hauskonzert engagiert, dazu den englischen Dirigenten Chris Petrie.
Allein die Musiker und Sänger beanspruchten zwei Drittel des Raumes. Dargeboten wurde Beethovens Chorphantasie, die viele Anklänge an seine 9. Sinfonie hat. Entsprechend gewaltig war der Klang, der den klassizistischen Raum mit Deckengemälden und Stuck erbeben ließ.
"Wenn Sie die Instrumente aus der Nähe hören und die Kraft spüren, ist das etwas anderes als in der 36. Reihe im Konzert, das ist besonders", freute sich Burbulla. Der Musikliebhaber zog das Ganze professionell auf, verschiedene Kameras und ein eigens bestellter Veranstaltungstechniker zeichneten das Konzert auf, zu sehen sein wird es dann nach der Bearbeitung auf seiner Homepage. Für Getränke und Essen bei den regelmäßigen Hauskonzerten der Familie ist immer gesorgt, die Atmosphäre ist offen und heiter. "Das ist hier alles ganz locker bei uns und das Buffet bringen unsere Freunde mit".
Gäste und Musiker waren gleichermaßen begeistert, so auch Sängerin Sandra Gerlach: "Mir macht es Spaß, die Freude der Zuschauer zu sehen", sagte sie begeistert. Hier kam noch ein Überraschungseffekt hinzu: "Wir stehen im Publikum und singen direkt aus dem Publikum heraus. Es gibt keine Grenzen zwischen Publikum und Zuschauern"
Der große Berliner Sonatenmarathon mit Igor Levit
Auch der Pianist Andreas Kern, Organisator und Kurator von "Beethoven bei uns" beteiligte sich selbst mit einem Gesprächskonzert. "Wir haben hier 20 Plätze und 10 gebe ich raus an Leute, die ich nicht kenne," so Kern. "Das ist für mich eine Möglichkeit, den humanistischen Gedanken von der offenen Gesellschaft mitzufeiern, indem ich mein Haus öffne."
Außerdem ist er mit von der Partie beim großen Sonatenmarathon in Berlin, ebenso wie der bekannte Igor Levit und weitere namhafte Pianisten. Das ganze Wochenende spielen sie alle die letzte Sonate von Ludwig van Beethoven, Nr. 32 op.111, um sie "immer wieder neu zu hören und zu verstehen", wie es in der Konzertbeschreibung heißt.
Beethoven für einen guten Zweck
Doch Musik ist nicht alles: Der Kölner Graffiti Künstler Michael Keip besprüht Leinwände mit einem "Konzeptbild", das mit Beethoven zu tun hat. Die Leinwände sollen später verkauft werden. "Das Geld wird gespendet für hörbehinderte Jugendliche, um dann in einem Street-Art-Projekt mit ihnen wieder Leinwände zu bemalen", sagt Keip.
Auch Gaby Wilke-Holtheide spendet die Teilnahmegebühr für ihr Quiz "Götterfunken für Ratefüchse" einem guten Zweck. "Wir veranstalten so eine Raterunde vier Mal im Jahr in einem Restaurant", sagt Gaby Wilke-Holtheide. Doch diesmal geht es bei den Fragen nicht um Wissenschaft oder Stars und Sternchen, sondern um Beethovens Leben und seine Musik. "Beethoven geht hier in der Region und in seiner Geburtsstadt etwas unter", findet Wilke-Holtheide. Die Stadt sei eher bekannt als ehemalige Hauptstadt und Sitz großer Konzerne. "Bonn sollte als erstes sagen, wir sind Beethovenstadt - und dann erst alles andere nennen."
Im Beethovenjahr wird sich die Wahrnehmung mit Sicherheit ändern. Dazu trägt auch der Schirmherr des Beethovenjahres 2020, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, bei. Das offizielle Eröffnungskonzert des Beethoven Jubiläumsjahres im Schloss Bellevue am 17. Dezember bildet den inoffiziellen Abschluss des Hauskonzert-Reigens.
Beethoven und die Kanaren
Im "Blauen Haus" von Familie Krantz Petermeier drehte sich im zweiten Teil des Nachmittags alles um den Kanarischen Komponisten und Klavierpädagogen Teobaldo Power. Seine romantischen Tänze versetzten das Publikum für ein paar Minuten auf eine der warmen Inseln vor der afrikanischen Küste. Das Publikum applaudiert am Ende mit Bravorufen.
Victor Agraz aus Mexiko freut sich besonders: "Es war unglaublich. Für uns ist die Musik das Vitamin, um in dieser kalten Jahreszeit wieder fröhlich zu werden." Und seine Begleiterin fügt hinzu: "Wir können nicht stillsitzen, sondern müssen automatisch den Kopf und die Füße bewegen." Dabei sei es ganz egal, ob der Rhythmus von den Kanaren käme oder von Beethoven. "Bei uns Zuhause würden wir sofort tanzen!"