Befreiung wird nicht in Rechnung gestellt
4. April 2006Das Auswärtige Amt darf im Ausland entführten Bundesbürgern die Kosten ihrer Befreiung nicht in Rechnung stellen. So urteilte die 14. Kammer des für alle deutschen Konsularangelegenheiten zuständigen Verwaltungsgerichts Berlin.
Geklagt hatte die deutsche Physiotherapeutin Reinhilt Weigel. Sie war am 24. November 2003 nach zehnwöchiger Geiselhaft in Kolumbien frei gekommen; ein Helikopter brachte Weigel aus dem Dschungel in die Hauptstadt Bogotá. Zurück in Deutschland erhielt Weigel eine Rechnung des Auswärtigen Amts: 12.640 Euro, für den Helikoptereinsatz. Weigel wollte nicht zahlen und zog 2004 vor Gericht.
Eine Beteiligung von Geiselopfern an den Kosten ihrer Befreiung sehe das Konsulargesetz nicht vor, sagte die Vorsitzende Richterin Citron-Piorkowski. Das Gesetz sei für Fälle sozialer Notlagen gemacht, so ihre Urteilsbegründung. Der Entführungsfall Weigel sei von politischer Bedeutung gewesen und von einem Krisenstab unter internationaler Beteiligung geregelt worden. "Fälle wie diese entziehen sich dem Konsulargesetz, das die Alltagsgeschäfte des Konsularbeamten regelt", sagte die Richterin. Der Hubschraubereinsatz sei Teil einer Befreiungsaktion gewesen, keine Sozialhilfe.
Einen von Weigels Rechtsanwalt Joseph Mayer angebotenen Vergleich hatte das Außenministerium abgelehnt. Ob sich der Bund das Geld auf zivilrechtlichem Weg zurückholenkann, ließ die Vorsitzende Richterin Renate Citron-Piorkowski offen.
Weigels Anwalt Josef Mayer hatte vor Gericht die Ungleichbehandlung von befreiten Geiseln kritisiert. Ob und in welcher Höhe die Heimkehrer vom Auswärtigen Amt zur Kasse gebeten werden, hängt nämlich vom Einzelfall ab.
Von der Göttinger Familie Wallert, die 2000 auf den Philippinen verschleppt wurde, verlangte das Auswärtige Amt 12 887 Mark (umgerechnet 6590 Euro) zur Erstattung von Auslagen. Ungefähr 2000 Euro pro Person musste eine Gruppe deutscher Touristen zahlen, die 2003 in der Sahara entführt wurden. Der im Dezember 2005 im Jemen entführte frühere Staatssekretär Jürgen Chrobog bot nach seiner Freilassung freiwillig an, sich an den Transportkosten zu beteiligen. Einen Ausgleich für die - wesentlich höheren - Kosten des Krisenstabes in Berlin hat das Auswärtige Amt bisher noch nie von Entführungsopfern gefordert.
Weigel war am 12. September 2003 gemeinsam mit sechs weiteren Touristen bei einem Ausflug in die Ruinenstadt "Ciudad Perdida" (Verlorene Stadt) in die Hände linker Rebellen des "Nationalen Befreiungsheeres" (ELN) gefallen. Die Entführer wollten mit der Verschleppung auf die Verhältnisse in einer nur schwer zugänglichen Bergregion im Norden Kolumbiens aufmerksam machen. (phi)