Internationaler Haftbefehl gegen Verdächtigen
25. November 2015Die belgische Justiz hat im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen einen internationalen Haftbefehl gegen den 30-jährigen Mohamed Abrini ausgestellt. Der Verdächtige sei am 11. November zusammen mit dem flüchtigen Hauptverdächtigen Salah Abdeslam am Steuer eines Renault Clio von einer Überwachungskamara an einer Tankstelle in Ressons nördlich von Paris gefilmt worden, teilten die Justizbehörden mit. Der Mann sei "gefährlich und möglicherweise bewaffnet", heißt es in dem Haftbefehl.
Der Wagen wurde nachweislich bei den Anschlägen in Paris benutzt. Überdies sei ein fünfter Verdächtiger in Untersuchungshaft genommen worden. Ein auf Terrorismus spezialisierter Ermittlungsrichter habe die Haft angeordnet, da der Verdacht auf "Beteiligung an Aktivitäten einer Terrorgruppe und terroristischen Morden" bestehe.
Womöglich Attentat in Pariser Geschäftsviertel geplant
Inzwischen verdichten sich die Hinweise darauf, dass der als Drahtzieher der Anschläge von Paris geltende Islamist Abdelhamid Abaaoud womöglich einen Selbstmordanschlag auf das Geschäftsviertel La Défense geplant hatte. Der belgisch-marokkanische Islamist und ein Komplize hätten sich möglicherweise in der Woche nach der Anschlagsserie in La Défense "in die Luft jagen" wollen, sagte der Pariser Staatsanwalt François Molins. Abaaoud war am Mittwoch vergangener Woche bei der Erstürmung einer verdächtigen Wohnung in der Pariser Vorstadt Saint-Denis getötet worden. Bei dem Einsatz sprengte sich außerdem ein bislang nicht identifizierter Verdächtiger in die Luft.
Es bestehe der Verdacht, dass diese beiden "Terroristen" an eben diesem 18. November oder am folgenden Tag einen Anschlag auf das westlich an Paris angrenzende Geschäftsviertel La Défense geplant hätten, sagte Molins. Über die Hinweise dafür "kann und will ich nicht präziser sein", sagte der Chefermittler. Die Erkenntnisse hätten sich erst einen Tag nach dem Anti-Terror-Einsatz in Saint-Denis ergeben. Molins hatte bereits nach der Erstürmung der verdächtigen Wohnung gesagt, mit dem Einsatz sei womöglich ein weiterer Anschlag verhindert worden. In dem Geschäftsviertel La Défense haben zahlreiche französische Großkonzerne ihren Sitz, darunter der Stromversorger EDF, der Atomkonzern Areva, das Erdölunternehmen Total und der Versicherungskonzern Axa.
Einer der Attentäter soll an Tatort zurückgekehrt sein
DNA-Spuren des Islamisten wurden zudem auf einer Kalaschnikow ausgemacht, die in einem der Tatfahrzeuge gefunden wurde - einem Seat, der bei den Angriffen auf die Bars und Restaurants verwendet wurde. Die Ermittler vermuten, dass Abaaoud zusammen mit dem später bei der Detonation seines Sprengstoffgürtels getöteten Brahim Abdeslam mit dem Seat Attacken verübte. Bei dem mutmaßlichen dritten Angreifer dieses Kommandos handelt es sich Molins zufolge "vielleicht" um den Mann, der zusammen mit Abaaoud in der Wohnung in Saint-Denis starb und die Selbstmordattacke in La Défense mit plante. Abaaoud selbst habe an dem Abend der Anschläge offenbar telefonischen Kontakt mit einem der Angreifer auf das Stade de France gehabt, sagte Molins. Außerdem sei der Islamist offenbar "nach den Attentaten an die Tatorte zurückgekehrt", und zwar noch während die Geiselnahme im Bataclan lief. Darauf weisen Molins zufolge Handy-Ortungen hin.
Weiterer Haftbefehl gegen mutmaßlichen Unterstützer
Zu einem am Montag im Pariser Vorort Montrouge gefundenen Sprengstoffgürtel sagte der Staatsanwalt, es gebe vermutlich einen Zusammenhang zu der Anschlagsserie: Es handele sich um "genau die gleiche" Bauweise wie die Sprengstoffgürtel, die bei dem Anschlag verwendet worden seien. Gegen den Mann, der Abaaoud in der Wohnung in Saint-Denis "gegen Bezahlung" Unterschlupf gewährt hatte, wurde derweil ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Jawad Bendaoud habe sich "wissentlich" an einer "terroristischen Organisation" beteiligt, sagte der Staatsanwalt. Er wurde nach sechs Tagen Polizeigewahrsam in Haft überführt.
Leben in Brüssel soll sich normalisieren
In der belgischen Hauptstadt soll von diesem Mittwoch an das öffentliche Leben langsam wieder in Gang kommen. Schulen und Krippen öffnenwieder. Am Morgen lief der U-Bahn-Verkehr wieder an. 35 der 69 Brüsseler Metro-Stationen wurden geöffnet. Das teilten die Brüsseler Verkehrsbetriebe mit.
Rund 500 Sicherheitskräfte sollen die U-Bahnhöfe und Schulen absichern, wie die belgische Nachrichtenagentur Belga unter Berufung auf das Umfeld von Innenminister Jan Jambon berichtete. Am Samstag war für das Land die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen worden. Sie soll noch bis zum kommenden Montag gelten. Über das Wochenende war die belgische Hauptstadt nahezu komplett zum Stillstand gekommen.
cgn/se /kle (dpa, afp, rtr)