Benedikt XVI.: Afrika im Kopf und im Herzen
2. Januar 2023Am 17. März 2009 - ziemlich genau vier Jahre nach seinem Amtsantritt - begibt sich der kürzlich verstorbene Papst Benedikt XVI. auf seine erste Afrikareise. Diese führt ihn nach Angola und Kamerun, doch bereits im Flugzeug macht Benedikt gegenüber Journalisten Aussagen, die ihm zunächst wenig Sympathien auf dem Kontinent einbringen. Das Aids-Problem in Afrikalasse sich mit der Verteilung von Kondomen nicht lösen, behauptet der Pontifex, im Gegenteil: Es bestehe sogar das Risiko, das Problem durch Verhütung zu vergrößern. Die Lösung liege vielmehr in einem "spirituellen und menschlichen Erwachen" und in der "Freundschaft für die Leidenden".
Kondom-Äußerung sorgt für Aufregung
"Mit dieser lebensfernen Botschaft sorgte Papst Benedikt für Verwunderung und sogar Entrüstung", sagt Thomas Tasse, praktizierender Christ und Komponist von Gospelmusik aus Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns. Tasse fuhr damals trotzdem zum Flughafen, um den Papst mit einem kamerunischen Fähnchen in der Hand zu empfangen. "Für mich als katholischen Christen war es eine Ehre, dass der Heilige Vater unser Land als erstes in Afrika besuchte." Mit seiner Opposition gegen die Verhütung habe Benedikt indessen gezeigt, dass ihm das religiöse Dogma sehr wichtig sei. "Spätestens von da an wusste ganz Afrika, dass Benedikt ein sehr konservativer Mann ist. Einer, der keine Veränderungen und keine Reformen will."
Auch Domingos das Neves, Vatikanexperte des angolanischen Senders "Rádio Ecclesia", kann sich an das mediale Echo erinnern, das die Kondom-Aussage des Papstes 2009 hervorrief: "Seine Position wurde damals scharf kritisiert, auch hier in Angola. Doch Benedikts Aussagen waren nichts Neues und standen im Einklang mit der offiziellen Position der katholischen Kirche." Im Übrigen gehe es bei dem Thema Verhütung und Aids nicht um Dogmen, sondern darum, dass manche Themen einer Interpretation aus katholischer Sicht bedürften. Und diese Interpretation habe der Papst unmissverständlich geliefert, so Domingos das Neves.
Armut, Hunger, Machtmissbrauch: "Niemals schweigen"
Benedikts problematische Haltung in der Verhütungsfrage lässt sich aber nicht mit einer Gleichgültigkeit gegenüber dem afrikanischen Kontinent gleichsetzen. "An dem Interesse Benedikts an Afrika und den Afrikanern gab es niemals auch nur den geringsten Zweifel", ist sich Thomas Tasse aus Kamerun sicher. Bei seiner Ankunft in Kamerun sagte Benedikt vor den anwesenden Gläubigen, er wolle dem ärmsten Kontinent der Erde eine "Botschaft der Hoffnung" überbringen. Christen dürften angesichts des Leidens, der Armut, des Hungers, der Gewalt, der Korruption und des Machtmissbrauchs niemals schweigen.
Außerdem übte er Kritik an den regionalen Konflikten, die Afrika verwüsteten, bezeichnete den Menschenhandel als "neue Form der Sklaverei" und beklagte die Unterversorgung mit Lebensmitteln. "Es waren Worte der Hoffnung und des Trostes", erinnert sich Tasse.
Afrika - Kontinent der katholischen Hoffnung
Dabei hatte Papst Benedikt XVI. in Afrika gerade einmal drei von 54 Ländern besucht: Kamerun, Angola und, zweieinhalb Jahre später, Benin. Sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte mit wenigen Ausnahmen den gesamten Kontinent bereist. Doch das heiße nicht, dass Benedikt sich nicht über die Bedeutung Afrikas für die katholische Kirche im Klaren gewesen wäre, sagt der angolanische Vatikanexperte Domingos das Neves.
Nirgendwo auf der Welt wächst die Zahl der Katholiken derzeit so schnell wie in Afrika. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Afrika nur zwei Millionen Katholiken. Heute zählt der Kontinent geschätzt mehr als 180 Millionen - und die Zahl könnte sich Schätzungen zufolge in den nächsten 25 Jahren mehr als verdoppeln: "Es gibt eine beeindruckende Menge von Priester- und Ordensberufungen, sowie zahlreiche Bekehrungen zum Christentum", beschreibt das Neves die Lage in seinem Heimatland Angola.
Benedikt habe deshalb die Kirche in Afrika als die "Kirche der Hoffnung" bezeichnet. Ihm sei sehr bewusst gewesen, dass Afrika eine Hochburg des Glaubens sei, und auch die große Anzahl von Missionaren aus Afrika, die auf andere Kontinente entsandt würden, habe ihn sehr beeindruckt. "Afrika ist einstmals evangelisiert worden und sendet jetzt selbst Missionare in alle Welt. Diese Tatsache hat Benedikt XVI. dankbar hervorgehoben", so Domingos das Neves.
Ein großer Freund Afrikas
Auch in Benin, dem dritten afrikanischen Land, das Benedikt als Papst besuchte, sei er als großer Hoffnungsträger aufgetreten, erinnert sich der katholische Geistliche Père Raymond Goudjo, der 2011 unmittelbar mit der Organisation des Besuchs Benedikts in Benin betraut war. "Es ist wahr: Benedikt war ein sehr dogmatischer Papst, ein sehr intellektueller Mensch, dabei nicht der Temperamentvollste, nicht überschäumend", so Goudjo im DW-Interview. "Aber einer, der genau weiß, was Freundschaft bedeutet."
Davon zeuge nicht zuletzt die Tatsache, dass der Papst während seines Besuchs im Land einen beninischen Freund ehrte, mit dem er lange Jahre in Rom zusammengearbeitet hatte: Kardinal Bernardin Gantin, der drei Jahre zuvor auf dem Friedhof von Ouidah in Benin beigesetzt worden war und dem Benedikt 2011 die letzte Ehre erwies.
Vielen afrikanischen Katholiken dürfte Benedikt XVI. jedoch vor allem für Aussagen aus der Zeit, bevor er Papst wurde, in Erinnerung bleiben. Denn immer wieder hatte Joseph Ratzinger als Kardinal die Möglichkeit eines afrikanischen Papstes ins Spiel gebracht. So sagte der damalige Chef der Glaubenskongregation in einem Interview im April 2002 über einen potenziellen Papst aus Afrika: "Ich persönlich meine, dies wäre ein schönes Zeichen für die ganze Christenheit." Angesichts von Benedikts südamerikanischem Nachfolger, dem amtierenden Papst Franziskus, erscheint dieses Szenario heute wahrscheinlicher denn je.
Mitarbeit: Prince Rodrigue Guézodjè (Cotonou), Henri Fotso (Yaoundé)