Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit
10. September 2003Der Bereitschaftsdienst des Personals in deutschen Krankenhäusern muss in vollem Umfang als Arbeitszeit anerkannt werden. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Dienstag (9. September 2003) in Luxemburg. Die gesamte Bereitschaftsdauer sei Arbeitszeit, auch wenn der Betroffene zeitweise gar nicht in Anspruch genommen wird. Entscheidend sei, dass der Arzt im Krankenhaus zur Verfügung stehen müsse. Der Aufenthalt in einem Ruheraum ändere daran nichts.
Anders lautende Regelungen des deutschen Arbeitszeitgesetzes verstoßen danach gegen europäisches Recht.
Spanische und deutsche Ärzte haben geklagt
Mit dem Urteil bestätigte der EuGH die Auffassung eines Arztes einer Städtischen Klinik in Kiel. Der hatte gegen die deutsche Regelung geklagt. Entsprechend hatten die Europarichter bereits im Oktober 2000 entschieden, als Ärzten in Spanien geklagt hatten. Ärzte- und Klinikverbände forderten deshalb bereits im Vorfeld der Luxemburger Entscheidung vom Dienstag jährlich bis zu 1,75 Milliarden Euro mehr Geld.
Der "Marburger Bund", der die deutschen Krankenhausärzte vertritt, bewertete das Urteil als "großartigen und historischen Sieg für die deutschen Klinikärzte". Arbeitsminister Wolfgang Clement müsse nun umgehend das Arbeitszeitgesetz an europäisches Recht angleichen, forderte der Vorsitzende des Verbandes, Frank Ulrich Montgomery.
Bis zu 27.000 zusätzliche Ärzte
Nach Berechnungen des Verbandes müssen nach einer entsprechenden Gesetzesänderung rund 15.000 zusätzliche Ärzte in den Krankenhäusern eingestellt werden. Hierfür müsse das Klinikbudget um rund eine Milliarde Euro erhöht werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) geht sogar von 27.000 zusätzlichen Ärzten aus. Es ist nach den Worten Montgomerys "blamabel, dass die Bundesregierung zu einer Gesetzesänderung erst juristisch gezwungen werden muss, obwohl es bereits vor drei Jahren ein ähnliches EuGH- Urteil gab". Zudem habe das Bundesarbeitsgericht bereits zwei Mal die Bundesregierung aufgefordert, das deutsche Arbeitszeitgesetz an europäische Richtlinien anzugleichen.
Das Urteil des EuGH stoppt nach Ansicht der Ärztekammer die "Ausbeutung der Klinikärzte". 30-Stunden- Dauerdienste gehörten endgültig der Vergangenheit an, erklärte Ärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe am Dienstag in Berlin. Dies komme auch den Patienten zugute. Denn es wäre verantwortungslos, weiterhin nur mit völlig überarbeiteten Ärzten die Patientenversorgung im Krankenhaus aufrecht zu erhalten, sagte Hoppe. Das Bundesarbeitsministerium äußerte sich zu dem Urteil zunächst nicht. (kap)