Weite Teile von Idlib durch Kämpfe unbewohnbar
4. März 2020Durch die Kämpfe im Nordwesten Syriens sind weite Teile der Region unbewohnbar geworden. Das geht aus einem Bericht der Humanitarian Initiative der Harvard-Universität sowie der Hilfsorganisationen Save the Children und World Vision hervor. Knapp ein Drittel der Gebäude zweier Frontstädte in der umkämpften Provinz Idlib seien beschädigt oder zerstört worden. Eine Rückkehr der Bewohner sei damit nahezu unmöglich, hieß es in einer Mitteilung zu dem Bericht.
Die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad haben mit russischer Unterstützung im Dezember eine Offensive gegen die letzte Hochburg islamistischer und dschihadistischer Rebellen in Idlib gestartet. Knapp eine Million Menschen sind nach UN-Angaben seitdem vor den Gefechten ins syrisch-türkische Grenzgebiet geflüchtet - so viele wie noch nie in dem seit neun Jahren andauernden Konflikt. Mehr als die Hälfte davon sind Kinder. Noch immer leben rund drei Millionen Menschen in der Provinz Idlib, viele von ihnen unter katastrophalen Bedingungen.
Seit 2017 Satellitenbilder ausgewertet
Für ihren Bericht werteten die Wissenschaftler Satellitenbilder der Region Idlib aus, die zwischen 2017 und Februar 2020 aufgenommen wurden. Zivilisten werden demnach in immer kleinere Gebiete gedrängt. Innerhalb weniger Monate wurden Dörfer und Städte sowie wichtige Infrastruktur wie Schulen und Krankenhäuser zerstört. Auf ehemaligem Ackerland entstanden immer größer werdende Flüchtlingslager.
Aus einem am Montag veröffentlichten Bericht einer UN-Untersuchungskommission geht hervor, dass die syrischen Regierungsstreitkräfte gezielt zivile Infrastruktur angriffen, um die Bevölkerung zu vertreiben und die militärische Eroberung der Gebiete zu erleichtern. "Die Bombenangriffe haben innerhalb weniger Wochen weite Teile von Idlib fast vollständig leergefegt, mit katastrophalen Folgen für hunderttausende Kinder und Frauen", erklärte die Landesdirektorin von Save the Children für Syrien, Sonia Khush. "Wenn es keine deutliche Deeskalation gibt, könnte das zehnte Jahr dieses Konflikts eines der blutigsten sein."
Kramp-Karrenbauer für Sanktionen gegen Russland
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer brachte unterdessen Wirtschaftssanktionen gegen Russland ins Spiel, um die neue Flüchtlingskrise beizulegen. Es gebe vielfältige, auch wirtschaftliche Beziehungen mit Russland, sagte sie den Sendern RTL und ntv. Im Ukraine-Konflikt habe man durch Sanktionen gezeigt, dass man Russland nicht alles durchgehen lasse. "Und das wäre die Frage, die sich aus meiner Sicht jetzt auch in Syrien stellt."
Der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan seien wichtige Verhandlungspartner bei der Frage nach der Einrichtung einer Schutzzone für die Menschen, die vor den Kämpfen in Idlib fliehen, sagte Kramp-Karrenbauer. "Wir müssen mit den Beteiligten vor Ort, das heißt mit Putin darüber sprechen, mit Erdogan darüber sprechen." Russland und die Türkei unterstützen in Syrien gegnerische Parteien. Putin ist der wichtigste Verbündeten von Assad. Das türkische Militär unterstützt dort Rebellen und ist bereits in Auseinandersetzungen mit syrischen Truppenverwickelt worden.
sti/se (afp, dpa, rtr)