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Berlin plant Denkmäler für Arbeitsmigranten

Julie Gregson
6. Mai 2024

Berlin will Denkmäler für sogenannte "Gastarbeiter". Damit soll die Leistung ihres wirtschaftlichen Aufbaus gewürdigt werden - gerade in Zeiten von Migrationsdebatten.

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Deutschland, Berlin | Vietnamesische Vertragsarbeiter in einer Werkshalle (1990)
Vietnamesische "Vertragsarbeiter" in der DDR Bild: Werner Schulze/IMAGO

Der Berliner Stadtteil Kreuzberg ist untrennbar mit türkischen Einwanderern und ihren Nachkommen verbunden. Auch wenn man heute in dem Stadtteil, der einst auf der Westseite der Berliner Mauer lag, neben Türkisch und Deutsch fast genauso häufig Englisch oder Spanisch hört.

Nun soll dort ein Denkmal zu Ehren der so genannten "Gastarbeiter", vor allem der ersten Generation, errichtet werden. Das Projekt sieht auch eine separate Gedenkstätte für ehemalige "Vertragsarbeiter" aus Vietnam und anderen "sozialistischen Bruderstaaten" im ehemaligen kommunistischen Ost-Berlin vor.

Sevim Aydin, Mitglied der Landesregierung in Berlin, steht in einem Park und schaut in die Kamera - eine Frau mit langen schwarzen Haaren, lächelnd
Macht sich für zwei Denkmäler zur Geschichte der Arbeitsmigration stark - Sevim AydinBild: picture alliance/dpa

Initiatorin des Projekts ist die SPD-Politikerin Sevim Aydin, Mitglied des Berliner Senats. Ihre Eltern gehörten zu dieser ersten "Gastarbeiter"-Generation. Aydin sagt, der Beitrag der Migranten zum Erfolg Deutschlands sei bislang nicht ausreichend anerkannt worden.

"Migranten werden immer negativ dargestellt. Ich denke, es ist an der Zeit, die positiven Dinge zu erzählen - auch über die erste Generation", sagt sie der DW. "Viele konnten kein Deutsch, aber sie haben gearbeitet, Familien großgezogen und dieses Land am Laufen gehalten", fügt sie hinzu. "Ich möchte, dass die Stimmen dieser Menschen gehört werden."

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben mehr als 25 Prozent der rund 84 Millionen Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund. Bei den Kindern sind es sogar 40 Prozent.

Deutschland - schon lange Einwanderungsland

In Deutschland gibt es schätzungsweise über eine Million Denkmäler. Doch nur wenige spiegeln die multikulturelle Geschichte wider. In Frankfurt am Main gab es 2004 erstmals die Idee, an die "Gastarbeiter" zu erinnern. Aber vor den 2030er Jahren wird dort nicht mit einer Umsetzung gerechnet.

Aydin hofft, dass das neue Projekt in Berlin schnell realisiert werden kann, damit die erste Generation von "Gastarbeitern" es noch zu ihren Lebzeiten zu sehen bekommt. Ziel ist es auch, die Geschichte der Arbeitsmigration nach dem Zweiten Weltkrieg und die Erfahrungen der Migranten zu dokumentieren - im damaligen West- und Ost-Berlin.

"Es sollte um das Leid und die Freude gehen", sagt Aydin. Sie war sechs Jahre alt, als ihre Familie 1978 zu ihrem Vater nach Deutschland nachzog. Er war Anfang der 1960er Jahre ausgewandert und arbeitete zunächst als Bergmann, dann als Fabrikarbeiter, bevor er in Berlin ein Café eröffnete. Ihre Mutter arbeitete als Reinigungskraft.

Natalie Bayer, Mitglied des Denkmalbeirats und Leiterin des Museums FHXB Friedrichshain-Kreuzberg, erklärt gegenüber der DW, dass das Projekt auch das Thema Rassismus thematisieren müsse. Bayer, die mit ihrer koreanischen Mutter in Westdeutschland aufgewachsen ist, sagt: "Man sollte nicht wirklich vergleichen. Aber ich denke, dass die Erfahrungen der ostdeutschen "Vertragsarbeiter" in einem viel dramatischeren Sinne rassistisch waren."

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Die größten Gruppen von Migranten kamen in den 1980er Jahren aus Vietnam, Mosambik und Ungarn in die ehemalige DDR. Häufig wurden die "Vertragsarbeiter" gezwungen, ihre Pässe bei der Ankunft abzugeben. Für Frauen bedeutete eine Schwangerschaft in der Regel Abtreibung oder Abschiebung. Die Neuankömmlinge lebten weitgehend abgeschottet von der ostdeutschen Bevölkerung. Kontakte waren nicht erwünscht.

Viele kamen in der Hoffnung oder mit dem Versprechen, eine gute Ausbildung und Arbeit zu bekommen. Sie wurden als billige Arbeitskräfte eingesetzt, um die bröckelnde Wirtschaft der DDR zu stützen. Ein Teil ihres Lohns wurde ohne ihre Zustimmung einbehalten, um Schulden der Herkunftsländer zu begleichen und die Staatskasse zu füllen.

Maputo in Mosambik - ehemalige DDR-Vertragsarbeiter protestieren auf der Straße
Ehemalige mosambikanische DDR-"Vertragsarbeiter" protestieren in Maputo für eine angemessene Wiedergutmachung nicht ausgezahlter LeistungenBild: Friedrich Stark

"Wir waren praktisch moderne Sklaven", sagt Adelino Massuvira Joao, ein ehemaliger Vertragsarbeiter aus Mosambik. Die Mehrheit der Mosambikaner kehrte nach dem Ende der DDR dorthin zurück. Viele erhielten nie den bei ihrer Rückkehr erwarteten Teil ihres Lohns oder die versprochene Entschädigung. Massuvira Joao, der in Deutschland geblieben ist, setzt sich seit langem für eine Entschädigung durch die deutsche Regierung ein.

Diskriminierung und Drecksarbeit

Die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete Mitte der 1950er Jahre das erste Anwerbeabkommen mit Italien. Andere, vor allem südeuropäische Länder folgten. Türkische Migranten kamen ab Anfang der 1960er Jahre und bildeten schließlich die größte Gruppe. "Gastarbeiter" landeten in der Regel in schlecht bezahlten oder unbeliebten Jobs. Auf beiden Seiten der Mauer waren die Migranten in unterschiedlichem Maße mit Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus konfrontiert. Keiner der beiden deutschen Staaten erwartete, dass die Arbeiter bleiben würden.

Die Wiedervereinigung bringt weitere Nachteile

Der Fall der Mauer hatte für viele Migranten in West- und Ostdeutschland negative Auswirkungen. Diejenigen im ehemaligen Osten befanden sich in einer besonders prekären Lage. Fabriken wurden geschlossen, und sie verloren sowohl ihren Arbeitsplatz als auch ihre Arbeitserlaubnis.

"Viele wurden abgeschoben. Viele sind aber auch freiwillig gegangen, weil die Stimmung nicht mehr angenehm war", sagt Museumsleiterin Bayer. In den 1990er Jahren nahm die rassistische Gewalt in ganz Deutschland zu. "Die Integrationspolitik machte 70 Schritte rückwärts", so Bayer.

Der Berliner Senat hat für die getrennten Erinnerungsprojekte rund 500.000 Euro veranschlagt. Wie genau sie aussehen sollen, ist noch strittig. Klar hingegen ist: Die Planung für die Denkmäler fällt in eine brisante Zeit. Die Debatten um Migration und irreguläre Einwanderung erhitzten die Gemüter, bestimmen die politischen Debatten, bescheren rechtspopulistischen Parteien hohe Umfragewerte.

Berlin - erst der Anfang?

Laut der Migrationsforscherin Noa K. Ha hatte die deutsche Regierung zwar einen ehrgeizigen Gesetzgebungsplan zur Modernisierung Deutschlands auf den Weg gebracht. Doch dann, so die Leiterin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), brachen Krisen aus, die auch den Aufstieg rechtsorientierter Parteien beförderten.

"Wir müssen über eine neue deutsche Identität sprechen, "die deutlich pluraler" ist. Die Geschichte der Migration solle in jedes Heimatmuseum integriert werden. Dem Denkmalprojekt in Berlin solle eine ähnliche Würdigung in anderen deutschen Städten folgen, so Ha. "Die deutsche Regierung sollte ein ganz neues Programm auflegen. Die Denkmäler sollten mit einer politischen Forderung verbunden werden - dass dies erst der Anfang und nicht das Ende ist."

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