Berlin rüstet sich für Silvester 2023
30. Dezember 2023Weihnachten steht für Besinnlichkeit, an Silvester wird kräftig gefeiert: In Berlin werden allein auf der Partymeile am Brandenburger Tor bis zu 65.000 Menschen erwartet. Tagelang wurden an der großen Showbühne und der Festmeile gebaut. Ein Foodtruck-Festival und die Bühnenshow "Celebrate at the gate" locken. Zahlreiche Musiker treten auf, ein TV-Sender überträgt die Show live und natürlich gibt es um Mitternacht ein großes Höhenfeuerwerk.
Das klingt nach ausgelassener Fröhlichkeit, doch darauf kann sich auch angesichts erhöhter Terrorgefahr niemand verlassen. Das Sicherheitskonzept ist aufwendig, auf die abgesperrte Meile kommt man nur mit vorab bezahltem Ticket und Einlasskontrolle. Taschen und Rucksäcke werden genauso wenig durchgelassen wie Feuerwerkskörper, Essen, Getränke und - Flugblätter. Politische Agitation ist bei der Silvester-Party unerwünscht. Erst Recht in Zeiten, in denen Israel Krieg gegen die terroristische Hamas führt.
Ausschreitungen befürchtet
Die Berliner Polizei rechnet damit, dass es in der Silvesternacht ein erhöhtes Risiko für Krawalle durch den Krieg im Nahen Osten gibt. Polizeipräsidentin Barbara Slowik spricht von einem "immensen Schutzbedarf jüdischer und israelischer Menschen". Wie schnell die Stimmung umschlagen kann, haben die letzten Wochen mit zahlreichen pro-palästinensischen Demonstrationen in deutschen Großstädten gezeigt.
Slowik spricht von einer "Emotionalisierung durch den Konflikt im Nahen Osten" und sagt mit Blick auf die Silvesternacht: "Wir gehen durchaus davon aus, dass diese Emotionen auch auf der Straße ausgelebt werden." Vor allem in sogenannten Problemvierteln mit viel muslimischer Bevölkerung.
Gewalt gegen Einsatzkräfte an der Tagesordnung
Die Berliner Polizei, aber auch die Feuerwehren und die Sanitätsdienste sind alarmiert. Einsatz- und Rettungskräfte erleben schon an normalen Tagen immer wieder gewalttätige Angriffe. In einer bundesweiten Umfrage des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV) gab rund die Hälfte der befragten Feuerwehrleute an, in den vergangenen zwei Jahren im Einsatz beschimpft, beleidigt und bedroht worden zu sein oder auch direkte Gewalt erfahren zu haben.
In der Silvesternacht 2022/2023 wurden Rettungs- und Einsatzkräfte in mehreren Städten in Deutschland massiv mit Böllern und Raketen angegriffen. In Berlin seien Rettungskräfte sogar in mutmaßliche Hinterhalte gelockt worden, so Polizeipräsidentin Slowik. Niemand rechnet damit, dass es in diesem Jahr weniger aggressiv ablaufen wird. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich besorgt, dass man Silvester in manchen Städten wieder "blinde Wut und sinnlose Gewalt" erleben müsse.
Polizisten sind auch Menschen
Die Gewerkschaft der Polizei fordert ein härteres Durchgreifen gegen die Angreifer. "Spätestens seit den Gewaltexzessen im vergangenen Jahr in Berlin, aber auch in zahlreichen Orten im Ruhrgebiet und selbst im eigentlich friedlichen Bonn weiß jeder, dass in unserer Gesellschaft etwas auseinandergelaufen ist", warnt der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke in einem Interview mit der Zeitung Rheinische Post. "Darauf müssen wir endlich reagieren."
In Berlin versucht man es auf mehreren Wegen. Seit Monaten ist die Polizei vorbeugend in sogenannten Problemvierteln unterwegs. Begegnungen in Schulen und Jugendclubs wurden organisiert, um jungen Männern und Jugendlichen zu vermitteln, dass in Uniformen und unter Helmen Menschen stecken. Über die Schulen wurden Eltern angeschrieben und um Hilfe gebeten. Man arbeite Silvester, um anderen zu helfen. "Bitte reden Sie im Vorfeld mit Ihren Kindern, dass auch wir mit Respekt und Toleranz behandelt werden und unverletzt ins neue Jahr starten möchten", so heißt es in dem Schreiben.
Massiv Präsenz zeigen
Gleichzeitig hat die Berliner Polizei ihren größten Silvester-Einsatz der vergangenen Jahrzehnte vorbereitet. 2500 Polizisten aus Berlin und anderen Bundesländern sind zusätzlich auf den Straßen. Dazu kommen noch 500 Bundespolizisten auf S- und Fernbahnhöfen. In den Wachen und Streifenwagen sind weitere 1000 Polizisten im Dienst. Zum Teil soll die Feuerwehr von Polizeischutz begleitet werden. Zivilpolizisten beobachten seit Tagen die Lage in den Brennpunkten, Randalierer sollen umgehend festgenommen werden.
Auch die Staatsanwaltschaft plant Sonderschichten. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kündigt ein entschlossenes Vorgehen an. "Wer Polizei und Feuerwehr angreift, muss mit einer sehr konsequenten Antwort des Rechtsstaates rechnen." Vorbeugend ist in drei Berliner Stadtteilen, in denen sich Chaoten immer wieder Straßenschlachten mit Pyrotechnik geliefert hatten, privates Feuerwerk verboten.
180 Millionen Euro verschossen
Wenn es nach Umweltschützern, aber auch der Gewerkschaft der Polizei gegangen wäre, hätte es in Berlin ein stadtweites Verbot für Feuerwerk und Böller gegeben. Stattdessen brechen die Verkäufer nach den Verboten in den Corona-Jahren 2020 und 2021 neue Rekorde. Beim letzten Jahreswechsel wurde Pyrotechnik für rund 180 Millionen Euro verballert. In diesem Jahr wird es nicht weniger sein.
Der Verband der pyrotechnischen Industrie rechnet zum Jahreswechsel mit einer ähnlich hohen Nachfrage nach Silvesterfeuerwerk wie im vorigen Jahr.
Krankenhäuser rechnen mit vielen Verletzten
Neben den legalen Raketen und Böllern, die seit dem 28. Dezember verkauft werden, sind vor allem in Berlin reichlich illegale Sprengkörper im Umlauf. Die Grenze zu Polen ist nah und dort wird nicht zertifiziertes Feuerwerk mit viel mehr Sprengwirkung verkauft.
Statt Schwarzpulver wird ein stärker und schneller reagierender Stoff verwendet, der unkontrolliert explodieren kann. Teilweise enthalten die Geschosse harte Kleinteile, die wie Gewehrkugeln schwerste Verletzungen bis hin zu Amputationen und Todesfällen verursachen können. In Berlin bereiten sich die Krankenhäuser bereits auf eine arbeitsreiche Nacht vor.