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Berlin und Moskau: Streit wegen der Ukraine?

Roman Goncharenko9. Dezember 2013

Die Ukraine könnte zum Zankapfel zwischen Berlin und Moskau werden. Russland kritisiert den Besuch von Außenminister Westerwelle in Kiew. Nun will auch die Bundeskanzlerin der Opposition den Rücken stärken.

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Blick auf die Massendemonstration auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew (Foto: DW)
Bild: Lilija Gryschko

Vor rund neun Jahren, Ende November 2004, rief der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Es ging um die Ukraine. Hunderttausende demonstrierten in der Hauptstadt Kiew bei der sogenannten "Orangefarbenen Revolution" gegen eine gefälschte Präsidentenwahl. "Lassen sie uns mithelfen, dass die Situation nicht außer Kontrolle gerät", sagte Schröder Putin. "Wir brauchen eine demokratische, eine friedliche Ukraine."

Russland hatte sich damals auf die Seite des Wahlfälschers Viktor Janukowitsch gestellt. Putin gratulierte ihm zum Sieg. Am Ende aber mischte sich Russland nicht mehr ein, die Proteste blieben friedlich, die Wahl wurde wiederholt, die Opposition gewann. Janukowitsch wurde erst bei der Abstimmung 2010 Präsident der Ukraine.

Russland löste die Krise aus

Noch griff Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht zum Telefon, um mit Putin über die aktuelle innenpolitische Krise in der Ukraine zu sprechen. Sie hätte jedoch mehrere Gründe, das zu tun. Die Lage in der Ukraine ist ähnlich angespannt wie 2004. Hunderttausende gehen seit Wochen in Kiew auf die Straße. Sie demonstrieren für eine Annäherung der Ukraine an die Europäische Union.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Wladimir Putin Nahaufnahme (Foto: picture alliance)
Angela Merkel hätte mehrere Gründe, um mit Wladimir Putin über die Krise in der Ukraine zu sprechenBild: picture alliance/Russian Look

Die Krise wurde unter anderem durch den Druck Russlands auf die Ukraine ausgelöst. Moskau drohte mit Handelsbeschränkungen, sollte die Ukraine ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen. Die Regierung in Kiew legte daraufhin das fertig ausgehandelte Abkommen auf Eis. Damit provozierte sie die aktuellen Massenproteste.

Deutsche Vermittlerrolle schwierig

Manche in der Ukraine wünschen sich eine Vermittlung Berlins in zweierlei Sicht. Zum einen ist zu hören, Berlin solle zu einem Dialog zwischen dem Präsidenten Janukowitsch und der Opposition beitragen, um ein Blutvergießen zu verhindern. Zum anderen solle Deutschland auf Russland einwirken, damit Moskau wegen einer EU-Annäherung der Ukraine keinen Druck auf Kiew ausübe.

Jens Paulus, Teamleiter Europa bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Berlin, ist skeptisch. "Ich finde diese Vermittlerrolle, die von uns immer wieder verlangt wird, ist eine sehr schwierige", sagte Paulus in einem Gespräch mit der Deutschen Welle. "Diese Funktion kann und soll Deutschland nicht spielen." Er gab jedoch zu, dass Deutschland Russland "ein bisschen besser" als andere EU-Staaten kenne. Berlin könne deshalb bei Gesprächen über eine EU-Annäherung der Ukraine dazu beitragen, "die russischen Interessen in der Region" besser zu verstehen.

Auch Sabine Fischer, Forschungsgruppenleiterin GUS bei der "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP), ist skeptisch. "Ich denke, dass Deutschland jedenfalls mit seinen europäischen Partnern darauf einwirken sollte, dass keine weiteren gewalttätigen Zusammenstöße stattfinden zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten", sagte Fischer der DW. "Das ist ja im Grunde schon eine Vermittleraktivität."

Moskau kritisiert Westerwelle

In der vergangenen Woche flog Bundesaußenminister Guido Westerwelle nach Kiew, um an einem Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) teilzunehmen. Westerwelle besuchte die Protestierenden auf dem "Maidan", dem Platz der Unabhängigkeit, traf sich mit einigen Oppositionsführern, aber auch mit Regierungsvertretern.

Guido Westerwelle bei seinem Rundgang über den Kiewer "Maidan" (Foto: AFP PHOTO/GENYA SAVILOV)
Guido Westerwelle bei seinem Rundgang über den "Maidan"Bild: GENYA SAVILOV/AFP/Getty Images

Westerwelles Besuch löste Empörung in Moskau aus. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew und Außenminister Sergej Lawrow warfen Westerwelle Einmischung in innere Angelegenheiten der Ukraine vor.

Das Auswärtige Amt wies diese Vorwürfe zurück. Berlin scheint sogar bereit, einen Schritt weiterzugehen. Bundeskanzlerin Merkel will nach Medienberichten den ukrainischen Oppositionsführer Vitali Klitschko am Rande des EU-Gipfels in Brüssel Mitte Dezember treffen und ihm demonstrativ den Rücken stärken. Russland dürfte darüber nicht begeistert sein.

Belastung im deutsch-russischen Verhältnis?

Manche deutsche Medien, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), sehen die Ukraine "zur Belastung im deutsch-russischen Verhältnis" werden. Russische Experten widersprechen. Westerwelle sei ein scheidender Außenminister und seinen Besuch in Kiew solle man nicht überbewerten, sagte der DW Wladislaw Below. Er ist Leiter des Zentrums für Deutschland-Studien an der russischen Akademie der Wissenschaften. "Merkel hat gesagt, Deutschland und Russland sollen über ihre künftige Zusammenarbeit nicht in schwarzweißen Tönen sprechen", so Below. Die Bundeskanzlerin hatte angeregt, die Debatte über die Ukraine vom "Entweder-oder-Ansatz" (entweder Integration mit Russland oder mit Europa) wegzuführen. Merkel kündigte bereits an, darüber mit Putin bei ihrem nächsten Treffen Anfang 2014 sprechen zu wollen. An eine Belastung der deutsch-russischen Beziehungen durch die Krise in Kiew glaubt der Experte Below nicht.