Aufregung um russische Söldner in Mali
16. September 2021Die Lage ist brisant: Es gibt Anzeichen, dass die Regierung in Mali mit der russischen Söldner-Truppe "Wagner" über einen paramilitärischen Einsatz diskutiert. Malische und russische Behörden stehen angeblich kurz davor, ein entsprechendes Abkommen zu schließen. Das enthüllte die Nachrichtenagentur Reuters Anfang der Woche und sorgte damit in europäischen Diplomatenkreisen für helle Aufregung.
Mali reagierte prompt: Die Regierung wolle ihre Beziehungen erweitern, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten - noch sei nichts mit Wagner unterzeichnet, sagten Sprecher des Verteidigungsministeriums in Medienberichten. In Mali sind nicht nur mehrere tausend französische Soldaten, sondern auch 1000 Bundeswehrsoldaten im Kampf gegen islamistische Extremisten stationiert.
Militärische Zusammenarbeit nicht neu
Mali und Russland haben bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet: 1961, nach dem Abzug der Franzosen, hatte sich der erste malische Präsident Modibo Keita unter anderem an die damalige Sowjetunion gewandt, mit der Bitte, die malische Armee zu trainieren und auszurüsten. Diese militärische Zusammenarbeit setzte sich bis Anfang der 1990er Jahre fort.
"Die meisten Militärs, die in Mali an der Macht sind, wurden in Russland ausgebildet und stehen dem Kreml nahe", sagt Analyst Mahamadou Konaté der DW. Er warnt: "Wir sollten uns davor hüten, diese Söldner in den Einsatz zu schicken, auch aufgrund der Gefahr, dass sie massive Menschenrechtsverletzungen begehen könnten."
Aus Frankreich kommen bereits Signale für einen möglichen Truppenabzug aus Mali: Eine Beteiligung des privaten russischen Unternehmens Wagner in Mali wäre mit der Aufrechterhaltung einer französischen Truppe "unvereinbar", so Außenminister Jean-Yves Le Drian. Auch das deutsche Auswärtige Amt äußerte große Besorgnis.
Deutsche Truppen in Mali – wie lange noch?
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) schrieb auf Twitter, derartige Vereinbarungen zwischen Mali und Russland würden all dem widersprechen, "was Deutschland, Frankreich, die EU und die UN in Mali seit acht Jahren leisten" und drohte indirekt ebenfalls mit einem Truppenabzug.
"Das Interesse Russlands an weiteren Waffenverkäufen ist natürlich groß", so der FDP-Abgeordnete Christoph Hoffmann zur DW. Die deutsche Regierung müsse jetzt intensive Kontakte mit Mali pflegen, um die Situation zu retten. Deutschland werde sich nicht weiter in der EU-Mission engagieren, wenn es zu einem echten Engagement der Wagner-Gruppe komme. Auch die Grünen-Abgeordnete Katja Keul hält das für "indiskutabel".
Denis Tull, Mitarbeiter der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin, äußert sich ebenfalls besorgt: Sollte die Partnerschaft mit Mali bestätigt werden, wäre dies ein "beträchtliches Wagnis": Als 2018 die Zentralafrikanische Republik russische Söldner der Gruppe Wagner zu Hilfe rief, habe Paris seine Aktivitäten in dem Land sofort eingestellt.
Bei den jetzigen Gesprächen der malischen Regierung mit Russland könne es sich laut Tull auch um einen Versuch handeln, den Druck – nur wenige Wochen vor dem im Oktober stattfindenden Afrika-Frankreich-Gipfel - zu erhöhen und Frankreich zu zeigen, dass auch andere Bündnisse möglich seien.
In Malis Hauptstadt Bamako fordert Thomas Schiller, Leiter der Konrad-Adenauer Stiftung, einen Dialog der betroffenen Länder. Gleichzeitig betont er jedoch, dass Mali und andere afrikanische Länder souveräne Staaten seien. "Es ist nicht unsere Aufgabe, den Afrikanern zu sagen, was gut für sie ist. Es ist an ihnen, dies zu definieren, und ihr politisches System und ihre Armee zu reformieren", so Schiller zur DW.
Kreml dementiert Söldner-Einsatz
Überrascht sei er nicht: Seit langem gebe es Gerüchte über ein größeres russisches Engagement in Mali, vor allem im Bereich der Sicherheitsausbildung der Streitkräfte, möglicherweise auch durch Waffenlieferungen. Das Problem sei, dass diese nie verifiziert werden konnten.
Reuters berichtet von einer Vereinbarung über die Entsendung von bis zu tausend russischen Söldnern nach Mali. Auf DW-Anfrage wurde diese Meldung von Kreml-Sprecher Dimitri Peskow dementiert. Auf einigen russischen Webseiten tauchten Berichte auf, dass sich bereits mehr als 1200 russische Söldner in Mali befänden. Doch diese Medienplattformen gelten als unseriös und werden DW-eigenen Recherchen zufolge offenbar von Jewgeni Prigoschin kontrolliert - einem engen Vertrauten Wladimir Putins, der die Wagner-Gruppe leiten soll.
UN beschuldigt Wagner der Kriegsverbrechen
UN-Experten beschuldigen die Söldner aus Russland, Kriegsverbrechen in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) begangen zu haben. Erst kürzlich legten sie ihren Bericht dem UN-Sicherheitsrat vor. Im Juli enthüllte auch das Investigativ-Team von "The Sentry" - einer Aktivistengruppe, die Geldströme im Zusammenhang mit Gräueltaten untersucht - in einer gemeinsamen Recherche mit dem US-amerikanischen Sender CNN mögliche Kriegsverbrechen der Söldner in der ZAR. Die russische Söldnergruppe ist auch in Libyen und Syrien aktiv. Zumindest in Syrien werden ihr dabei ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.