Berlin wartet auf Reformen in Simbabwe
23. November 2018Als Simbabwes Militär den Langzeitherrscher Robert Mugabe vor einem Jahr aus dem Amt drängte, ging ein kurzer Seufzer der Erleichterung durch das politische Berlin. Ein Jahr später scheint von der Erleichterung nicht mehr viel übrig zu sein. "Wir hatten darauf gehofft, dass Präsident Mnangagwa wichtige politische und wirtschaftliche Reformen umsetzen würde. Bisher sehen wir aber kaum Fortschritte", heißt es aus Diplomatenkreisen in Berlin.
Aus Sicht westlicher Beobachter ist es dem neuen Präsidenten bisher nicht gelungen, die Justiz oder die Sicherheitskräfte des Landes zu reformieren; beide waren wichtige Säulen der Mugabe-Herrschaft. Kritiker beklagen, dass Oppositionspolitiker, Journalisten und Zivilgesellschaft noch immer unterdrückt werden. Auch die umstrittenen Präsidentschaftswahlen Ende Juli, die von Betrugsvorwürfen und gewaltsamen Protesten überschattet wurden, trugen nicht zu mehr Vertrauen in Simbabwes neue Führung bei. Sicherheitskräfte töteten Anfang August sechs Menschen, die an Demonstrationen für eine schnelle Bekanntgabe der Wahlergebnisse teilnahmen.
Positive Signale, kaum Taten
"Die Regierung hat zwar durchaus positive Signale gesendet und deutlich gemacht, dass sie Reformen anstoßen möchte", sagt David Mbae, Leiter des Simbabwe-Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung im DW-Interview. "Aber in der Praxis ist noch nicht viel passiert, und darauf warten wahrscheinlich auch die internationalen Partner."
Simbabwes neue Regierung versucht dagegen händeringend, die Beziehungen zu Privatinvestoren und früheren Partnern zu verbessern. "Simbabwe ist offen für business" ist ein beliebter Slogan von Präsident Mnangagwa. Der neue Staatschef hat wiederholt betont, wie wichtig die Beziehungen zu Staaten wie Deutschland oder Großbritannien seien. Zumindest rhetorisch ist das eine merkliche Abkehr von Mugabes Politik.
Mugabe hatte eine engere Bindung mit China angestrebt, nachdem die Beziehungen zu westlichen Partnern in den frühen 2000er-Jahren in die Brüche gegangen waren. Deutschland hatte die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Simbabwe 2002 komplett eingestellt - als Reaktion auf Mugabes autoritären Regierungsstil und die umstrittene Landreform. Weiße Farmer wurden teils gewaltsam enteignet, ihr Besitz in vielen Fällen Gefolgsleuten der Regierungspartei ZANU-PF zugeteilt. Angriffe auf Oppositionspolitiker, Zivilgesellschaft und kritische Medien nahmen ebenfalls zu. Die Bundesregierung leistete daraufhin nur noch indirekt Unterstützung - durch humanitäre Hilfe und Zuwendungen an Nichtregierungsorganisationen und multinationale Fonds.
Schwere Zeiten in Harare
Dieses Kapitel würde die neue simbabwische Regierung gerne beenden. "Wir haben uns darauf verständigt, dass wir den Wiederaufbau der Beziehungen beschleunigen sollten", sagte der damalige Finanzminister Patrick Chinamasa nach einem Besuch von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im August. "Wir haben auch über die Notwendigkeit gesprochen, in Simbabwe Jobs zu schaffen. In anderen Worten, wir wollen Berufsschulen gründen und ausbauen. Wir haben auch über Kreditlinien gesprochen", so Chinamasa, der Ende September durch Mthuli Ncube ersetzt wurde.
Simbabwe braucht dringend finanzielle Unterstützung. "Die wirtschaftliche Lage ist weiterhin prekär. Wir haben diesen Monat einen neuen Hochstand bei der Inflation erreicht", sagt David Mbae von der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Die Preise für Lebensmittel sind enorm angestiegen, während die Löhne stagnieren. Es gab Engpässe bei Brot, bei Speiseöl, bei Benzin. Die Menschen standen teilweise stundenlang Schlange, um an Benzin zu kommen."
Simbabwe hatte als Reaktion auf eine Hyperinflation seine Landeswährung bereits 2009 aus dem Verkehr gezogen und stattdessen den US-Dollar und andere ausländische Währungen als Zahlungsmittel zugelassen. Als die Dollar-Vorräte knapp wurden, führte die Mugabe-Regierung vor zwei Jahren sogenannte Bond Notes ein. Die an den US-Dollar gekoppelten Schuldscheine sind im Ausland wertlos. Deshalb sinkt der Wert der Bond Notes gegenüber dem Dollar - die Inflation ist Ursache der aktuellen Wirtschaftskrise.
11 Milliarden Dollar Schulden
Trotzdem dürfte in näherer Zukunft wohl kein Geld aus Deutschland fließen: Aus Diplomatenkreisen in Berlin erfuhr die DW, dass die Bedingungen für neue Kredite noch nicht erfüllt worden seien. Deutschland besteht darauf, zuerst konkrete politische und wirtschaftliche Reformvorschläge von der Mnangagwa-Regierung zu erhalten. Aktuell belaufen sich Simbabwes Zahlungsrückstände auf mehr als elf Milliarden US-Dollar (9,6 Milliarden Euro).
Eine Delegation des deutschen Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklungen und Zusammenarbeit (BMZ) wird Ende November in Harare zu Gesprächen erwartet. Über das UN-Kinderhilfswerk UNICEF gibt das Ministerium 25 Millionen Euro, um Simbabwes Schulen zu unterstützen. Eine Ministeriumssprecherin teilte auf DW-Anfrage jedoch mit, dass das Ministerium derzeit keine Pläne habe, die direkte Entwicklungszusammenarbeit in diesem oder dem nächsten Jahr wieder aufzunehmen. "Voraussetzung für die Wiederaufnahme der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit ist allerdings die Umsetzung politischer und wirtschaftlicher Reformen durch die simbabwische Regierung. Wir werden uns dabei eng mit unseren europäischen Partnern abstimmen", so das BMZ.
Die Opposition im deutschen Bundestag fordert mehr internationalen Druck auf die Regierung von Präsident Mnangagwa. "Ich sehe keinen wirklichen politischen Wandel in Simbabwe, ich sehe keine Entwicklung demokratischer Strukturen", sagt Uwe Kekeritz, entwicklungspolitischer Sprecher der Grünen. "Ich bin der Meinung, dass man die Entwicklungszusammenarbeit wieder aufnehmen sollte", so Kekeritz zur DW, "allerdings muss diese ganz entfernt von der Regierungspolitik sein, das heißt wir müssen mit der Zivilgesellschaft vor Ort kooperieren."