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Berlin: Wie geht es weiter mit dem Einheitsdenkmal?

2. Oktober 2023

Berlins Freiheits- und Einheitsdenkmal am Humboldtforum ist nach langer Bauzeit immer noch nicht fertig. Inzwischen fragen sich Viele: Wer will das millionenschwere Bauwerk eigentlich noch?

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Entwurf der Wippe als Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin
Geplant ist eine Wippe als Freiheits- und Einheitsdenkmal in BerlinBild: Milla & Partner

Am 3. Oktober begeht Deutschland einmal mehr den Tag der Deutschen Einheit - 33 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung. Eigentlich sollte das Freiheits- und Einheitsdenkmal bereits 2019 zum 30. Jubiläum der deutschen Einheit feierlich eingeweiht werden. Doch dazu kam es nicht. Politische Debatten, bürokratische Hürden, Sicherheitsbedenken und fehlendes Geld zögerten den Baubeginn hinaus.

Vier Jahre danach sieht es kaum besser aus. Seit Mai 2020 wird zwar gebaut. Der historische Sockel vor dem Humboldtforum, wo einst das Berliner Stadtschloss stand, ist beinahe fertig, wie das Stuttgarter Planungsbüro Milla & Partner auf DW-Anfrage bestätigt. Und selbst die aus einem Gestaltungswettbewerb 2011 zum Siegerentwurf gekürte begehbare Schale, vom Volksmund kurz "Einheitswippe" getauft, nimmt offenbar Formen an. Auch ihre 32 Stahlsegmente warten laut Milla & Partner in einer Fertigungshalle in Nordrhein-Westfalen auf den Abtransport nach Berlin. Und doch hakt es erneut.

Nicht mehr in diesem Jahr fertig 

Grafik zum Einheitsdenkmal zeigt eine Wippe, auf der sich die Menschen bewegen und so die Wippe in ein Ungleichgewicht bringen.
Politkitsch oder zeitlose Symbolik? Menschen bringen die Einheitswippe in BewegungBild: Milla & Partner / Sasha Waltz

"Das Freiheits- und Einheitsdenkmal wird in diesem Jahr nicht fertiggestellt", sagt Kreativdirektor Sebastian Letz im DW-Gespräch. "Wir haben einen Plan zur Realisierung 2024 erstellt, und diesen vor einiger Zeit an das Staatsministerium für Kultur und Medien (BKM) kommuniziert." Nun sei es an Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Entscheidungen zu treffen.

Auf Nachfrage beim BKM heißt es: "Alle Beteiligten bemühen sich um eine schnelle Fertigstellung des Denkmals", so ein Sprecher der Kulturstaatsministerin, der Bauherrin des Vorhabens. Einen verbindlichen Eröffnungstermin könne jedoch nur der Generalübernehmer des Projektes nennen, das Stuttgarter Büro Milla & Partner. "Nach Aussage des Generalübernehmers gibt es derzeit Bauzeitverzögerungen aufgrund von Schwierigkeiten mit einem Nachunternehmen im Bereich Stahlbau", erklärt das BKM.

Planskizze vom geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal Berlin
Das Projekt aus der Vogelperspektive: Das Denkmal "Menschen in Bewegung" an der SpreeBild: Milla & Partner

Der Grund könnte aber auch ein neuerlicher Kostenschub sein. Erst 15, dann 17 Millionen Euro sollte das Denkmal ursprünglich kosten. Jetzt könnte es noch teurer werden. Das jedenfalls vermutet der Publizist und ehemalige DDR-Bürgerrechtler Andreas Apelt vom Berliner Verein Deutsche Gesellschaft und äußert sich darüber im DW-Gespräch "nicht besonders glücklich".

Befreiende Freude über den Mauerfall

Ist überhaupt noch jemand glücklich mit der Idee eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin? Initiiert wurde es 1998 von dem DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke, Florian Mausbach, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, dem Journalisten Jürgen Engert und Lothar De Maizière, dem ersten demokratisch gewählten Ministerpräsidenten der DDR - zur Würdigung der "befreienden Freude, die der Mauerfall ausgelöst hat, des historischen Glücks und der Freudentränen".

Bürger enthüllen das Freiheits- und Einheitsdenkmal im brandenburgischen Perleberg
Im brandenburgischen Perleberg wurde schnell gehandelt. Direkt nach der Wende wurde hier ein Denkmal zur Feier der Deutschen Einheit enthülltBild: Gerd Bielefeld/Stadtverwaltung Perleberg

2007 beschloss der Bundestag den Denkmalbau, finanziert aus Bundesmitteln. Dann begannen politische Grabenkämpfe: Der Haushaltsausschuss des Parlaments verweigerte zwischenzeitlich die Gelder. Aussagekraft und Sinn des Denkmals wurden in Frage gestellt. Schließlich besiegelte ein zweiter Bundestagsbeschluss 2017 den Bauwillen. 2020 erfolgte der erste Spatenstich.

Seitdem herrscht reges Treiben auf der Baustelle vor dem fertiggestellten und eröffneten Humboldt-Forum in Berlins Mitte. Gut 50 mal 18 Meter soll die Konstruktion der begehbaren Schale des Denkmals "Bürger in Bewegung" messen. Bewegen sich mehr Menschen zu einer Seite, so der Plan, dann neigt sich die Waage entsprechend. Die Wölbung der Schale soll eine Art Bühne bilden, auf ihr prangt in großen goldfarbenen Lettern der Slogan der Protestierer von 1989: "Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk." 

Ost und West ticken anders

"Politkitsch", "Kirmes-Charakter" und "schwache Metaphorik" kritisierten postwendend die einen, während andere die "starke Symbolik" des Entwurfs lobten: Wie 1989 müssten sich die Menschen verständigen und zum gemeinsamen Handeln entschließen, um etwas zu bewegen. Kritik erregte auch die Vermischung der Begriffe "Freiheit und Einheit", weil die Protestierenden in der DDR zwar für Freiheit, aber nicht durchgängig auch für Einheit demonstriert hätten.

"Konsens immer schwieriger"

"Welche Einheit soll da gefeiert werden?", fragt im DW-Gespräch Annette Ahme vom Verein Historische Mitte. Der bedingungslose Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland ohne eine begleitende Verfassungsdebatte sei falsch gewesen, der Vereinigungsprozess zwischen Ost und West seither missglückt. "Und ein Denkmal soll das jetzt heiligen?", fragt sie.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, vermisst eine große gesellschaftliche Unterstützung für das Denkmal, deren Wippe-Symbolik er "nicht mehr zeitgemäß" findet. Warum sich das Denkmalprojekt so lange verzögert hat? "Das", so Zimmermann, "liegt daran, dass es letztendlich doch niemand will." Auch ob das Denkmal noch jemand braucht, darüber sei er - angesichts gewachsener Spannungen zwischen Ost und West innerhalb Deutschlands "zunehmend unsicher".

"Einheit war Glücksfall der Geschichte"

Hendrik Berth, Psychologieprofessor und Transformationsforscher an der Technischen Universität Dresden, spricht von unterschiedlichen Sichtweisen der Ost- und Westdeutschen auf die Deutsche Einheit. "Man hätte vielleicht 1991/1992 schnell ein Denkmal aufstellen sollen", mutmaßt er. "Je länger es dauert, desto schwieriger wird es, etwas zu finden, was auch nur im Entferntesten einen gewissen Konsens finden kann." Eine besondere Wirkung des Einheitsdenkmals hält er für wenig wahrscheinlich, jedenfalls nicht als Beitrag zur Fortsetzung der inneren Einheit.

Das Zusammenwachsen von Ost und West ist auch in den Augen des einstigen DDR-Bürgerrechtlers Andreas Apelt unausweichlich. "Die Wiedervereinigung war ein Glücksfall der Geschichte", so Apelt, immerhin hätten die Protestierenden eine Diktatur beseitigt. "Diesen Schwung von damals müssen wir uns erhalten - mit all dem Optimismus!"