Italien in der Krise
9. Dezember 2012"Jetzt taucht Berlusconi wieder auf und will uns fünf Jahre zurückwerfen." Pier Ferdinando Casini, Vorsitzender der italienischen Christdemokraten und politischer Konkurrent, hat erwartungsgemäß kritisch auf die angekündigte Kandidatur Silvio Berlusconis reagiert. Dabei brächten die Italiener seit einem Jahr große Opfer, um einen Absturz wie in Griechenland zu verhindern, erklärte er im Staatsfernsehen.
Italiens politische Landschaft hat sich am Wochenende wieder einmal gewandelt. Der parteilose Regierungschef Mario Monti - seit 13 Monaten im Amt - sieht sich von Berlusconis Partei "Popolo della Libertà" (PdL) im Stich gelassen. Die PdL hatte Monti in beiden Kammern des Parlaments die Unterstützung entzogen. Jetzt will Monti zurücktreten, sobald ein wichtiges Stabilitäts- und Haushaltsgesetz verabschiedet sein wird. Das könnte noch vor Weihnachten sein, Neuwahlen wären dann im Februar oder März 2013 möglich.
Berlusconis Basis schwindet
Dass der 76 Jahre alte Berlusconi es dann ein fünftes Mal schaffen könnte, Italiens Ministerpräsident zu werden, halten fast alle Beobachter für unwahrscheinlich. Umfragen sehen ihn mit etwa 15 Prozent abgeschlagen hinter Pier Luigi Bersani von der christlich-sozialen "Partito Democratico" (PD). Bersani käme auf doppelt so viele Stimmen.
Rudolf Lill, Italien-Experte und Historiker aus Köln, erscheint Berlusconis Ankündigung "irrational. Der Umsturz dürfte ihm in Anbetracht dessen, was er angerichtet hat und was sich inzwischen in Italien durch andere zum Besseren gewendet hat, nicht gelingen." Zwar übe er offenbar immer noch eine gewisse Faszination auf einen Teil seiner Mitglieder aus, doch Lill glaubt: "Berlusconis Zeit ist zu Ende."
Unterschiedliches Demokratieverständnis
Die Mitte-Links-Partei PD hatte in diesem Jahr aufwändige Vorwahlen mit Millionen Beteiligten abgehalten, aus denen schließlich Pier Luigi Bersani als Sieger hervorging. In Berlusconis Partei PdL lief es anders ab. Dort wurden Vorwahlen durch innerparteiliche Machtkämpfe immer wieder verhindert, im Wesentlichen durch Belusconi selbst, der sich schließlich auch alleine zum Sieger kürte.
"Die Mitte-Links-Partei ist demokratisch strukturiert, und 'Popolo della Libertà' ist autoritär strukturiert", vergleicht Rudolf Lill die beiden Partei-Systeme. Berlusconi hatte die PdL, das "Volk der Freiheit", vor einigen Jahren selbst gegründet und ist dessen Vorsitzender. Jetzt nutzt er die Partei wieder als Sprungbrett in den Wahlkampf.
Bersanis Zeit scheint gekommen
Experten erwarten nun einen populistischen Wahlkampf von Berlusconis Medien-Maschinerie. Doch politisch haben dem Multi-Milliardär andere längst den Rang abgelaufen. Pier Luigi Bersani habe sich gemacht, meint Italien-Experte Lill und bezeichnet den 61-Jährigen als "neuen alten Mann".
Kritiker würfen Bersani vor, dass er zu sehr in herkömmlichen kommunistisch-gewerkschaftlichen Verflechtungen stecke. Doch er "hat sich davon weitgehend befreit und steht als demokratischer Parteiführer überzeugend an der Spitze der derzeit stärksten italienischen Partei", ist Lill überzeugt. Bersani raucht gerne Zigarillos und wirkt recht jovial und bodenständig. Auffällig ist auch seine kuriose Angewohnheit, in originellen Methaphern zu sprechen. Politik-Experte Lill sieht Bersani als guten Nachfolger für Mario Monti, der dessen Reformkurs mit Hoffnung auf wirtschaftlichen Wideraufschwung vernünftig weiterführen könne.
Hoffnung und Gefahr für Demokratie in Italien
Zunächst droht Italien aber eine vorübergehende Lähmung. Wenn Mario Monti noch in diesem Monat zurücktreten würde, könnte es bis zu den Neuwahlen politische Unruhe und Durcheinander geben. Ein Teil dieser Unruhe kommt dabei von Beppe Grillo, einem provozierenden Komiker und Blogger. Seine populistische Internet-Bewegung "Movimento 5 Stelle" hat bereits einige kommunale Wahlerfolge gefeiert.
In Meinungsumfragen zu den anstehenden Wahlen liegt er mit 20 Prozent vor Berlusconi und hinter Bersani. Historiker Rudolf Lill nennt Grillo "anti-politisch". Sollte er bei den Wahlen wirklich ein Fünftel der Stimmen erhalten, könne er die Regierung stören und das Regieren damit erschweren.
Die Demokratie in Italien sieht Lill trotzdem auf einem guten Weg. Das Land sei politisch und demokratisch wesentlich aktiver, als gemeinhin wahrgenommen werde, so der Kölner Wissenschaftler. Das hätten auch die groß angelegten Vorwahlen von Bersanis Partei gezeigt. "Diese Vorwahlen haben zu einem guten Ergebnis geführt. Es zwingt zu Kompromissen, aber offenbar sind die Leute in der linken Mitte dazu endlich bereit."