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Besuch in der Geisterstadt nahe Tschernobyl

Jens Thurau, z.Zt. Pripyat22. März 2016

Rund um Tschernobyl liegen Dörfer und Städte, die nach der Reaktorkatastrophe 1986 eilig evakuiert wurden. Jens Thurau begleitete die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks an den verlassenen Ort Pripyat.

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Riesenrad (Foto: DW/Jens Thurau)
Ein Vergnügungspark, der nie eröffnet wurde - Riesenrad in PripyatBild: DW/J. Thurau

Ein Riesenrad, verrostet, seit Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb. Ein Auto-Scooter, die Wagen zerstört. Häuser ohne Türen und Fenster, Supermärkte, die Eingänge mit Holzplatten vernagelt. Die ganze Stadt voller Wildwuchs. Und es ist still, beängstigend still.

Pripyat, drei Kilometer entfernt vom früheren Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine, existiert nicht mehr. Und doch kommen immer wieder Menschen hierher - Touristen zuletzt sogar - und Politiker wie die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks. Sie wollen sehen und wohl noch mehr fühlen, wie das ist in einer Geisterstadt. Ein Ort, der zur Geisterstadt wurde, weil die atomare Strahlung ein Leben hier unmöglich machte.

Ein roter Sessel, ein Tisch in einem verfallenden Haus (Foto: DW/Jens Thurau)
Verlassene Heimat - auf der Flucht vor der Reaktorkatastrophe ließen die Bewohner alles stehen und liegenBild: DW/J. Thurau

50.000 Menschen haben einmal in Pripyat gelebt. Es war eine junge Stadt, Durchschnittsalter unter 30 Jahren. Denn Pripyat war erst 1970 gegründet worden, die vielen tausend Menschen, die im Kernkraftwerk und drum herum Arbeit fanden, brauchten eine Bleibe. Ingenieure, Ärzte, Techniker. Als der Block 4 im Atomkraftwerk am 26.April explodierte, wurde Pripyat evakuiert, für ein paar Tage nur, hieß es zunächst, aber es war für immer.

"Alles im Griff rund um die Ruine"

Barbara Hendricks wirkt berührt. Der Tag war lang in Tschernobyl, stundenlang hat die Ministerin zugehört, wie die Verantwortlichen im Kraftwerk ihr vom Rückbau erzählen, davon, dass sie jetzt alles im Griff haben rund um die Ruine, die doch immer noch vor sich hin strahlt.

Pripyat ist die letzte Station des Besuchs der deutschen Politikerin, es ist bitterkalt. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagt Hendricks: "Es hat natürlich etwas völlig Unwirkliches. Auch, dass es eine der Attraktionen ist, sich diesen Vergnügungspark anzusehen, der niemals eröffnet wurde, weil er gerade am 1. Mai, also wenige Tage nach der Reaktorkatastrophe eröffnet werden sollte, das macht natürlich die ganze Absurdität nochmal deutlich."

Barbara Hendricks (Foto: DW/Jens Thurau)
Die deutsche Umweltministerin Barbara HendricksBild: DW/J. Thurau

Schon am Vormittag hat die Delegation aus Deutschland in einem der 76 Dörfer Halt gemacht, die vor 30 Jahren im Umkreis von 30 Kilometern rund um den Reaktor ebenfalls aufgegeben wurden. Insgesamt wurden 400.000 Menschen umgesiedelt, in der heutigen Ukraine und auch in Weißrussland, das den größten Anteil an der Strahlendosis zu verkraften hatte.

Nur alte und sehr arme Menschen kehrten zurück

Bis heute ist Leben in der 30-Kilometer-Zone eigentlich nicht möglich, ein paar alte Menschen sind zurückgekehrt, das wird ebenso toleriert wie der Zuzug bettelarmer Menschen, etwa aus Moldawien, die sich in der menschenleeren Gegend von Waldfrüchten ernähren. Sie sind immer noch einer hohen Strahlenbelastung ausgesetzt.

Das Kraftwerk selbst lässt den Besucher seltsam emotionslos zurück, ein Monstrum aus Beton und Stahl, das jetzt mit einer neuen milliardenschweren Schutzhülle versehen wird, um die Umwelt - so gut es geht - zu schützen. Es sind Orte wie Pripyat, die viel eindringlicher von der schweren Hypothek erzählen, die das Reaktorunglück den Menschen hier auferlegte.