Thein Sein in den USA
19. Mai 2013Seit 1966 hat kein Staatsoberhaupt des südostasiatischen Landes die USA besucht. Dass Barack Obama Präsident Thein Sein am Montag (20.05.2013) empfängt, hat vor allem symbolische Bedeutung. "Für Thein Sein bedeutet das die offizielle Anerkennung, die ihm bislang ja nicht gegeben war", so die Einschätzung des Asienexperten Gerhard Will von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP). Das zeigt auch die Verwendung der offiziellen Amtsbezeichnung "Präsident von Myanmar" in einer Stellungnahme des Weißen Hauses. Bisher hatten sich die USA geweigert, den von der Militärregierung gewählten Namen "Myanmar" zu verwenden und stattdessen auf den alten britischen Kolonialnamen "Birma" zurückgegriffen. Das sei ein deutliches Zeichen der Anerkennung, so Zeya Thu, stellvertretender Chefredakteur der privaten birmanischen Tageszeitung "The Voice", auch wenn die USA den neuen Namen nur in bestimmten Zusammenhängen verwenden wollen, wie eine Sprecherin des Weißen Hauses betonte.
Öffnungsprozess gefährdet
Die USA wollen Thein Sein aber nicht nur ihre Anerkennung bezeugen, sondern ihn zugleich darin bestärken, den 2010 begonnen Reformprozess fortzusetzen. Als Zeichen des guten Willens hat die Regierung Myanmars wenige Tage vor dem geplanten Besuch 23 politische Gefangene freigelassen. Thein Sein ist sich im Klaren darüber, dass "die Bilanz sehr viel weniger strahlend ist, als das noch vor einem oder auch einem halben Jahr der Fall war", sagt Gerhard Will von der SWP. "Der Reformprozess ist vielleicht nicht ins Stocken gekommen, aber doch großen Gefährdungen ausgesetzt."
Gefährdet wird er vor allem durch die andauernden ethnischen Konflikte und religiös motivierte Gewalt. Zurzeit wird im Kachin-Staat und im nördlichen Shan-Staat gekämpft. Auch in anderen Regionen kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen der birmanischen Armee und den unzähligen Widerstandsgruppen. Die Verhandlungen über ein Waffenstillstandsabkommen gestalten sich sehr schwierig, wie Tim Schröder von der Myanmar Peace Support Initiative in Rangun berichtet.
Auch die religiös motivierte Gewalt bleibt eine Gefahr. Bei Zusammenstößen zwischen der buddhistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit der Rohingya sind allein 2012 etwa 180 Menschen getötet und mehr als 100.000 vertrieben worden.
Nicht zuletzt wächst in der Bevölkerung der Unmut, da sie nur wenig von den Reformen profitiert. Thun Lynn, ein in Yangon ansässiger Fotograf, erklärte gegenüber der Deutschen Welle: "Ich bin für den Öffnungsprozess, aber das einzige, was sich für mich bisher geändert hat, ist, dass sich die Miete für meine Wohnung im Stadtzentrum von Rangun verdreifacht hat."
Geostrategische Interessen der USA
Neben Anerkennung und Ermahnung geht es den USA vor allem darum, den eigenen Einfluss in der Region gegenüber China zu stärken, wie Gerhard Will erklärt: "Den USA geht es in Myanmar um geostrategische Interessen in der Rivalität mit China." Dabei spiele der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) eine immer größere Rolle, dessen Bedeutung als Gegengewicht zu China die USA erst vor drei oder vier Jahren für sich entdeckt hätten. 2014 wird Myanmar die ASEAN-Präsidentschaft übernehmen.
Weniger interessant sind für die USA wirtschaftliche Erwägungen. Dafür sei die Wirtschaft in dem Land einfach noch zu wenig entwickelt, so die Einschätzung Wills. "Allerdings kommt natürlich auch von Seiten der amerikanischen Wirtschaft ein gewisser Druck."
Erwartungen aus Myanmar
Ökonomische Fragen spielen wiederum für Myanmar eine entscheidende Rolle. Wie schon die Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi, die 2012 Europa und Amerika besuchte, wird Präsident Thein Sein um Investitionen werben. Dazu müssten die USA weitere Sanktionen aufheben. Zeya Thu von "The Voice" ist sich sicher. "Ein Teil der Gesellschaft wünscht sich, dass die Sanktionen aufgehoben werden. In jedem Fall die Geschäftsleute und die Politiker."
Insgesamt hätten die Menschen in Myanmar sehr hohe Erwartungen an die Reise. "Die Leute erwarten, dass die USA Myanmar bei den Reformen, den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und nicht zuletzt bei der Rückkehr in die internationale Gemeinschaft weiter unterstützen." Außerdem seien die USA in der Vergangenheit immer besonders kritisch gegenüber der Regierung in Myanmar gewesen. Viele Menschen glaubten deshalb, dass "das Weiße Haus der ultimative Indikator dafür ist, ob die Regierung in Myanmar auf dem richtigen Weg ist."