Israels Außenminister Eli Cohen in Berlin
28. Februar 2023Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich bei einem Treffen mit ihrem israelischen Amtskollegen Eli Cohen in Berlin besorgt über die in Israel geplante Änderung des Justizsystems geäußert. "Zu den Werten, die uns verbinden, gehört der Schutz rechtsstaatlicher Prinzipien wie die Unabhängigkeit der Justiz. Das war immer ein Aushängeschild Israels", sagte Baerbock im Beisein Cohens. "Ich will nicht verhehlen, dass wir uns im Ausland Sorgen machen."
Baerbock: Grundrechte sind "ihrem Wesen nach Minderheitenrechte"
Die Bundesregierung sei "fest davon überzeugt, dass eine starke Demokratie eine unabhängige Justiz braucht, die auch Mehrheitsentscheidungen überprüfen kann", so Baerbock weiter. Grundrechte seien "ihrem Wesen nach Minderheitenrechte". Gegen die von der ultrarechten Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angestrebte Änderung des Justizsystems wird in Israel seit Wochen landesweit demonstriert. Erste Teile des Gesetzesvorhabens wurden von der Knesset bereits gebilligt.
Unter anderem soll die Regierung mehr Einfluss bei der Auswahl von Richtern erhalten; zudem soll das Parlament Entscheidungen des Obersten Gerichts künftig mit einfacher Mehrheit aufheben können. Kritiker sehen darin einen Angriff auf die Gewaltenteilung der Demokratie.
"Aus tiefer Überzeugung gegen die Todesstrafe"
Deutschlands Außenministerin äußerte auch Sorgen über eine mögliche Einführung der Todesstrafe in Israel. Die Bundesregierung sei "aus tiefer Überzeugung gegen die Todesstrafe", die "als Abschreckung nicht wirksam" sei. Israel habe, obwohl es wie kein anderes Land von Terror bedroht sei, die Todesstrafe nur einmal in seiner Geschichte vollstreckt, betonte die Grünen-Politikerin. "Ich bin überzeugt, dass es ein großer Fehler wäre, mit dieser Geschichte zu brechen."
Die ultrarechte Regierung Israels hatte am Sonntag einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Er soll es Gerichten künftig ermöglichen, "die Todesstrafe gegen Terroristen zu verhängen". Die Initiative ist auch in Israel sehr umstritten. Das Land wandte die Todesstrafe bisher nur einmal in seiner Geschichte an: Im Jahr 1962 wurde der Holocaust-Organisator Adolf Eichmann nach einem neunmonatigen Prozess hingerichtet.
Baerbock zeigte sich auch besorgt über die zunehmende Gewalt im Nahost-Konflikt. "Zuletzt sehen wir mit immer kürzeren Abständen Bilder von tödlichen Terroranschlägen gegen Israelis." Genauso gelte ihr Mitgefühl den Opfern von Racheakten und Selbstjustiz, so die Grünen-Politikerin weiter. Nach einem palästinensischen Anschlag im Westjordanland, bei dem zwei Israelis getötet worden waren, war es am Sonntagabend zu schweren Ausschreitungen israelischer Siedler gekommen. Dabei wurden ein Palästinenser getötet und Hunderte verletzt. In der Nähe von Jericho wurde dann am Montagabend ein 27-jähriger israelisch-amerikanischer Bürger erschossen, die mutmaßlich palästinensischen Täter konnten entkommen.
Cohen: Den Iran von Nuklearwaffen abhalten
Der israelische Außenminister Cohen forderte seinerseits die Bundesregierung auf, den Druck auf den Iran im Konflikt um dessen Atomprogramm zu erhöhen. "Das ist die Zeit zu handeln, um den Iran davon abzuhalten, eine nukleare Waffe zu entwickeln", sagte Cohen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Baerbock. "Deutschland muss eine klare Botschaft übermitteln, nur starkes Handeln wird starke Ergebnisse zeigen." Cohen schloss in diesem Zusammenhang auch eine militärische Option nicht aus.
Baerbock betonte, sie sei besorgt über die jüngsten Meldungen zum Grad der Urananreicherung im Iran. Dafür gebe es "keinerlei plausible zivile Rechtfertigung". Die Islamische Republik dürfe nicht in den Besitz einer Atombombe kommen, die Folgen einer solchen Eskalation wären für die gesamte Region verheerend.
Cohen besuchte in Berlin auch das Holocaust-Mahnmal und traf sich mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde. Es ist sein erster Besuch seit Amtsantritt der neuen israelischen rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Dezember.
EU besorgt über Gewalttaten im Westjordanland
Die Europäische Union brachte unterdessen ebenfalls ihre Besorgnis über die jüngsten tödlichen Gewalttaten im von Israel besetzten Westjordanland zum Ausdruck. Gewalt und Terror müssten beendet und die Zivilbevölkerung geschützt werden, heißt es in einer Erklärung der EU-Außenbehörde EEAS in Brüssel. Die Erklärung verweist auf die Position des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der von den israelischen und palästinensischen Behörden sofortige Maßnahmen zur Deeskalation gefordert hatte. Alle Parteien müssten "unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um diesen tödlichen Kreislauf der Gewalt zu beenden, weitere Verluste an Menschenleben zu verhindern". Ferner müssten die Täter vor Gericht gestellt werden.
sti/as/cw (afp, dpa, kna)