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Heidler: "Ich bin betrogen worden"

Herbert Schalling
27. September 2019

2016 beendete Betty Heidler die Karriere. Im Mai erhielt sie nachträglich Olympia-Silber, weil die Siegerin von 2012 des Dopings überführt worden war. Die ehemalige Hammerwerferin im DW-Exklusiv-Interview.

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Niederlande Hammerwerferin Betty Heidler in Amsterdam
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Deutsche Welle: Die Leichtathletik ist das Herzstück der Olympischen Spiele. Wie hat sie ihr Leben geprägt?

Betty Heidler: 18 Jahre war ich aktive Leichtathletin. Diese Zeit hat mich sehr verändert. Ich war ein schüchternes Kind. Ich wurde wegen meiner roten Haare oft gehänselt. Der Sport hat mich selbstbewusster gemacht. Ich habe gelernt, Stärken auszubauen und Schwächen zu bekämpfen, auf ein Ziel hinzuarbeiten. Das hilft mir auch heute noch. Ich habe während meiner sportlichen Laufbahn eine Ausbildung bei der Bundespolizei zur Polizeivollzugsbeamtin gemacht. Jetzt studiere ich Jura, schreibe im nächsten Jahr mein erstes Staatsexamen. Ich strebe danach eine Funktion im höheren Polizeidienst an.  

Der Saisonhöhepunkt, die WM in Doha, findet recht spät im Jahr statt. Ungewöhnliche Wettkämpfe werden es auch wegen der großen Hitze von 40 Grad und mehr. Das Stadion wird extra auf 28 Grad heruntergekühlt. Wie blicken Sie auf diese Wettbewerbe?

Ich bin neugierig, wie die Athleten ihre Leistung abrufen können. Durch das extreme Klima und die Wettkampfzeiten wird es nach meiner Überzeugung einige überraschende Sieger geben. Es werden Sportler gewinnen, die sich am besten auf die Bedingungen einstellen können. Den späten Zeitpunkt finde ich schon problematisch, weil im nächsten Jahr die Olympischen Spiele in Tokio schon im Juli stattfinden. Wäre ich noch aktiv, hätte ich sehr gründlich überlegt, ob ich in Doha starte oder ob das meinen langfristigen Wettkampfrhythmus zu stark durcheinander gebracht hätte.

Leichtathletik diamond league Betty Heidler
Betty Heidler ein Jahr nach den Olympischen Spielen 2012, für die sie nachträglich Silber bekam Bild: picture-alliance/dpa

Ständiger Begleiter großer Leichtathletik-Wettbewerbe ist die Frage, ob alle Leistungen sauber zustande gekommen sind. Sie waren selbst Doping-Leidtragende. Nach sieben Jahren erhielten Sie im Mai die Silbermedaille der Olympischen Spiele von 2012. Mit welchen Gefühlen haben sie die Medaille entgegengenommen?   

Einerseits mit Freude und Genugtuung, andererseits aber auch mit Wut. Ich hatte schon 2016 erfahren, dass die Russin Tatjana Lyssenko positiv getestet worden war. Es war für mich keine Überraschung. Sie war ja zuvor schon mal erwischt worden. Ich stand ja 2012 als Dritte wenigstens auf dem Treppchen, erlebte die Siegerehrung. Im Gegensatz zur damaligen Vierten und jetzigen Bronze-Gewinnerin aus China. Aber der Wettkampf hätte anders laufen können. Vielleicht hätte ich eine Siegchance gehabt. Um diese Chance bin ich betrogen worden. 

Auch vor der WM jetzt ist die Dopingfrage wieder aktuell. Russlands Athleten bleiben ausgeschlossen, nur einzelne Athleten dürfen starten. Der US-Amerikaner Colemann darf in Doha antreten, trotz drei verpasster Doping-Kontrollen. Wird unterschiedlich sanktioniert? 

Wir deutschen Athleten haben schon in der Vergangenheit kritisiert, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Das Problem muss durch die IAAF und den wiedergewählten Präsidenten Sebastian Coe endlich angegangen werden. Ich finde es generell schade, dass bei der Leichtathletik immer der Dopinggedanke hinterlegt ist. Das ist schade für die Athleten, deren Leistung auf ehrliche Art zustande gekommen ist.

Hammerwerfen Betty Heidler
Einer der letzten Wettbewerbe der Karriere: Heidler bei den Olympischen Spielen 2016 in RioBild: Reuters/P.Noble

Wie sind Sie damit umgegangen, in einem Wettbewerb mit Konkurrentinnen zu stehen, die ihre Leistung möglicherweise unsauberen Mitteln verdanken? 

Das war für mich und ist auch für die Athleten heute nicht leicht. Es war immer die Frage: Gebe ich denen die Hand, zeige ich mich mit ihnen? Man muss ja wissen, dass wir sauberen Athleten einen höheren Aufwand betreiben müssen, um die Vorteile auszugleichen, die andere sich durch unerlaubte Mittel verschaffen. Intensiveres Training birgt aber auch ein höheres Verletzungsrisiko. Zu wissen, dass es schwarze Schafe gibt, war für mich jedoch nie ein Grund, mit dem Leistungssport aufzuhören. 

Was erwarten Sie von den deutschen Startern bei der WM in Doha?

Ich bin mir sicher es wird die eine oder andere Medaille geben. Wir haben in der Nationalmannschaft immer Sportler, die herausragende Leistungen bringen. In diesem Jahr zum Beispiel die Weitspringerin Maleika Mihambo oder unsere Speerwerfer. Ich sehe aber auch, dass wir in einigen Disziplinen Nachwuchs-Probleme haben. Grundsätzlich bin ich jedoch optimistisch, dass deutsche Leichtathleten auch weiter international eine Rolle spielen werden.

Betty Heidler ist die erfolgreichste deutsche Hammerwerferin. 1998 begann sie ihre Karriere mit dem vier Kilogramm schweren Wurfgerät. 2003 nahm sie in Paris zum ersten Mal an einer Weltmeisterschaft teil. Vier Jahre später gewann sie in Osaka/Japan WM-Gold, bei den folgenden Titelkämpfen 2009 und 2011 jeweils Silber. Drei Jahre (von 2011 bis 2014) hielt Betty Heidler den Weltrekord. Die 79,42 m sind noch heute deutscher Rekord. Ihre wertvollste Medaille (Olympia-Silber) erhielt die gebürtige Berlinerin erst in diesem Jahr. Das Ergebnis der Spiele von 2012 wurde korrigiert, weil eine Athletin wegen Dopings nachträglich disqualifiziert worden war.

Das Interview führte Herbert Schalling