Big Data: Gläserne Wähler
4. August 2016Als Hillary Clinton an einem Sommertag im Juli 2014 in die heiligen Hallen von Google einläuft, um mit dem damaligen Google-CEO Eric Schmidt über ihr neues Buch zu sprechen, wird sie von stürmischem Beifall begrüßt. Sie setzt sich und sagt zu Schmidt, dass er ja etwas zugelegt habe. Sie meint das Wachstum des Unternehmens Google, nicht Schmidts Statur. Aber er greift den Scherz auf und Clinton reagiert mit einem lauten Lachen.
Manche glauben, dass mehr hinter dem jovialen Geplänkel von Clinton und Schmidt, inzwischen Vorsitzender der Google-Holding Alphabet, steckt: Matt Liebermann, Betreiber des Youtube-Kanals SourceFed, entdeckte zufällig, dass Suchvorschläge, die Googles AutoComplete-Funktion generiert, manipuliert zu sein scheinen - zumindest, solange man nach "Hillary Clinton" sucht.
Manipulierte Suchergebnisse zugunsten Clintons?
Als Liebermann den Suchbegriff "Hillary Clinton CRI" eintippte, macht Google drei Vorschläge zur Vervollständigung: Crime Reform, Crisis und Crime Bill. Das lässt nach dem Google-Prinzip vermuten, dass dies die am meisten gesuchten Begriffe sind. Als Liebermann sich aber die Statistik der tatsächlich von Nutzern gesuchten Begriffe ansah, bemerkte er, dass andere Begriffe viel häufiger gesucht wurden. Und auch die Konkurrenz Yahoo und Bing vervollständigte denselben Suchbegriff auf eine andere Art: Die Suchmaschinen schlugen Begriffe vor basierend auf der Frage, ob Clinton selbst ein Verbrechen begangen habe.
Liebermann schlussfolgerte: Schmidts Konzern habe negative Vorschläge unterdrücken lassen, um Clinton auf dem Weg ins Weiße Haus zu unterstützen. Alphabet selbst streitet die Vorwürfe ab.
Big Data als Wahlkampf-Tool
Der Google-Clinton-Vorfall hat Licht auf eine bestimmte Technologie geworfen, die sich vor allem die Demokraten in ihren Wahlkämpfen immer mehr zu Nutzen machen: Big Data. Dabei geht es um den Einsatz von riesigen Datenmengen, mit deren Hilfe potenzielle Wähler identifiziert und zum Wählen des eigenen Kandidaten bewegt werden sollen.
Die Hauptquelle von Big Data sind die Daten zum Wahlverhalten einer Person. Ist sie im Wählerverzeichnis registriert? Wie häufig ist sie in Vergangenheit wählen gegangen? Hat man den Namen, können Alter, Geschlecht und Herkunft herausgefunden werden. Das verknüpfen die Wahlkampf-Teams mit privaten Daten über den potenziellen Wähler, wie zum Beispiel seine Konsumgewohnheiten oder auch den Wert seines Eigenheims. Diese Daten werden von privaten Unternehmen gesammelt und an die Kampagnen verkauft. "So kann man ein individuelles ökonomisches Profil erstellen", sagt der Politikwissenschaftler Robert Shapiro von der Columbia University in New York.
Lässt die Datenlage vermuten, dass eine Person auf der Seite der Demokraten steht, ist sie ein lohnendes Ziel. Dann werden Wahlkampf-Helfer losgeschickt, um diese Menschen im persönlichen Gespräch zum Wählen zu bewegen; TV-Werbungen so platziert, dass die Zielgruppe sie auch sicher sieht, und Anschreiben und E-Mails so formuliert, dass sie die potenziellen Wähler ansprechen.
Big Data vor allem effizient in Kopf-an-Kopf-Rennen
Im Wahlkampf zwischen Mitt Romney und Barack Obama 2012 war das entscheidend, sagen Experten - gerade mal vier Prozent lagen zwischen den beiden. Zwei Prozent sollen durch den klugen Einsatz von Big Data entstanden sein, sagt Donald Green, Professor für Politikwissenschaft an der Columbia University.
Sein Kollege Shapiro glaubt, dass Big Data nach einer reinen Kosten-Nutzen-Abwägung überbewertet wird. Mit dem Einsatz von viel Geld würde nur ein geringer Mehrwert geschaffen werden - aber auf den könne es eben ankommen. "Man gewinnt keine Wahl mit Big Data allein", sagt auch Sasha Issenberg, Autor und Journalist, der sich ausgiebig mit Big Data im Wahlkampf beschäftigt hat. Bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen könne die Technologie aber durchaus einen Unterschied machen.
Ein geheimnisvolles Start-up als Wahlkampf-Helfer
Das weiß auch Hillary Clinton. Sie wird bis November etwa eine Milliarde Dollar in ihre Kampagne investiert haben, schätzt Issenberg. Doch Medien vermuten, dass das vielleicht wichtigste Investment nicht in Form von Spenden, eingesammelt durch zahlreiche PACs, die "Political Action Comitees", kommt: Laut Recherchen des Online-Magazins Wired ist es erneut die Unterstützung von Eric Schmidt. Der soll still und heimlich viel Geld in ein Start-up investiert haben, das die Kampagne von Clinton mit Big Data unterstützt: The Groundwork.
Außer einem Symbol auf düsterem Untergrund findet man keine Informationen auf der Website des Unternehmens. "The Groundwork ist eine Plattform, mit der Sie ihre Community motivieren und mobilisieren können", steht auf der Webseite des Mutterkonzerns Timshel. Das Unternehmen halte schwerpunktmäßig eine Plattform für Hillary Clintons Wahl-Kampagne bereithält, auf der diese koordiniert werden kann, verrät Elizabeth Brigham vom Mutterkonzern Timshel der DW. Es gehe um Big Data: Wer spendet wie viel? Wo hat Clinton wie viele Unterstützer?
Eric Schmidt hat seine Beteiligung an The Groundwork weder bestätigt noch dementiert. "Wir reden nicht über Investoren - aber über Eric Schmidts Verbindung zu The Groundwork ist ja viel berichtet worden", sagt Brigham nur.
Trump skeptisch gegenüber Big Data
Zusammen mit den möglicherweise manipulierten Google-Suchen hat die Geheimniskrämerei um The Groundwork bei vielen US-Amerikanern die Angst geschürt, dass Unternehmen gemeinsam mit Clinton Schindluder mit gesammelten Daten treiben - nicht zuletzt, um Wähler zu manipulieren.
Clintons Gegenspieler Donald Trump sagte in einem Interview, er hielte Big Data für überbewertet. Obama, der ebenfalls Wahlkampfunterstützung von Eric Schmidt erhielt, habe die Wahl 2012 aus anderen Gründen gewonnen. Trump hält sich bislang mit dieser Technologie zurück. Doch Shapiro glaubt, dass auch der Republikaner langfristig nicht daran vorbeikommen wird, mit Big Data seine Wähler zu mobilisieren: "Trump ist schon dabei, Leute einzustellen, die ihm dabei helfen können."