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Big Data: Der steinige Weg zu Spitzenforschung

Zulfikar Abbany / gh21. Mai 2015

Big Data - das klingt irgendwie beunruhigend. Einige Forscher meinen jedoch, es gehe nicht mehr ohne. Beunruhigt ist nun auch der Deutsche Ethikrat und hat das Thema auf die Agenda seiner Jahresversammlung gesetzt.

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Ein Bild der Ausstellung "Big Data Art" in München (Foto: DW/David Barnwell).
Bild: DW/David Barnwell

Das Schlagwort "Big Data" schwirrt schon seit geraumer Zeit umher. Und wir versuchen immer noch herauszufinden, was eigentlich dahintersteckt. Sind es einfach nur riesige Daten? Sind es viele Daten? Sind es viele verschiedene Arten von Daten? Und warum nur sind sie so wichtig für die Zukunft?

"Ich stimme zu: Big Data ist ein Schlagwort", sagt Bonnie Wolff-Boenisch, Leiterin für den Bereich "Forschungsangelegenheiten" bei #link:http://www.scienceeurope.org/uploads/PublicDocumentsAndSpeeches/SCsPublicDocs/Workshop_Report_MED_Big_Data_web.pdf:Science Europe#. "Mehr Daten bedeuten nicht notwendigerweise mehr Gesundheit. Aber wir können die Komplexität des menschlichen, biologischen Systems besser begreifen. Man muss verstehen, wie dieses System arbeitet, um zu verstehen, wie sich Krankheiten entwickeln. Das ist nur möglich mit diesen riesigen Datenmengen, die die Korrelation und die Kausalität aufzeigen."

Okay … wir sprechen also doch von großen Datenmengen?

"Es geht nicht nur um das bloße Volumen und um Geschwindigkeit. Es geht auch darum, was man daraus macht", so Wolff-Boenisch weiter. "Wir sprechen von großer Wissenschaft, "Big Science". Man nimmt Daten von Datenbanken, Publikationen, sozialen Netzwerken, Mikrobiomen und Epigenomen. Man setzt sie zusammen, um das biologische System zu verstehen und trifft Vorhersagen zu Krankheiten, und man versucht, die Menschen bei guter Gesundheit zu halten."

Lifelogging: ein ethisches Minenfeld

Soziale Netzwerke - schreiben wir darin nicht recht freizügig auch über unsere gesundheitliche Verfassung, in der Hoffnung, dass irgendein Forscher das Ganze entdeckt und uns auf magische Weise von unserer Krankheit heilt? Nein.

Wir glauben - vielleicht irrtümlicherweise - dass wir in den sozialen Netzwerken mit Freunden kommunizieren, mit Menschen, die wir kennen. Aber das ist nicht der Fall.

Apple Watch als Kopfschmuck (Foto: Reuters).
Mit Wearables, wie der Apple- Armbanduhr, teilen wir immer häufiger auch Gesundheitsdaten mit anderenBild: Reuters/T. Hanai

Wenn man sich nicht die Mühe macht, regelmäßig all die Einstellungen zu pflegen, die die Privatsphäre betreffen, dann kann fast jede intimste Information lesen - all das, was man eben freimütig preisgegeben hat.

Aus diesem Grund hat der Deutsche Ethikrat beschlossen, auf #link:http://www.ethikrat.org/veranstaltungen/jahrestagungen/die-vermessunng-des-menschen?set_language=en:seiner Jahreskonferenz# in Berlin (21.5.2015), endlich Position zu beziehen.

Ein Gebiet, auf das der Ethikrat besonderes Augenmerk legt, ist das sogenannte Lifelogging. Die Gadgets mögen zwar cool sein, aber es besteht die Gefahr, dass wir unfreiwillig zu Versuchskaninchen werden.

"Es gibt ein ganzes Bündel von Gadgets: Wearables, Armbänder. Die Leute nutzen sie, um ihre täglichen Aktivitäten zu verfolgen, zum Beispiel, wie viel Schritte sie gelaufen sind oder um Blutzuckerwerte abzufragen, die Herzfrequenz, die Blutzuckerwerte, die Schlafqualität oder wie sich ihre Stimmung im Laufe des Tages verändert", sagt Nora Schultz, wissenschaftliche Referentin beim Deutschen Ethikrat. "Sie nehmen diese Gadgets zur persönlichen Analysen, aber viele dieser Apps und Geräte können diese Daten auch an Dritte weitergeben."

Wir müssen uns also im Klaren darüber sein, wer Zugang zu welchen von unseren unserer Daten hat - ob es Unternehmen sind, Organisationen oder staatliche Einrichtungen - und was sie damit machen dürfen.

Es ist eine Frage der Ethik, aber es ist auch eine rechtliche Frage.

Die Europäische Union muss noch immer ihren endgültigen Standpunkt festlegen. Die EU kämpft mit der Frage des Datenschutzes genauso wie damit, globale Internet-basierte Firmen dazu zu bringen, ihre Steuern zu zahlen.

Die Re-Identifizierung von Daten

Und schließlich gibt es auch noch die Frage der Re-Identifikation und die Sorge darüber, dass - wie anonymisiert die Gesundheitsdaten auch sein mögen - einzelne Personen aufgespürt und sozusagen re-identifiziert werden können, wenn Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengebracht und analysiert werden, dem eigentlichen Ziel von Big Data eben.

"Man könnte in der Lage sein, anhand der Daten Menschen zu erkennen", sagt Wolff-Boenisch. "Die Gefahr besteht darin, dass diese Daten zu den Krankenversicherungen durchsickern könnten, und etwa eine Prädisposition für bestimmte Krankheiten vorhersagen. Das ist ein Risiko, das begrenzt werden muss. Auf der anderen Seite aber ist das der Preis, den wir für fortschrittliche Forschung zahlen müssen und dafür, Menschen vor Krankheiten zu schützen."

EKG (Foto: Fotolia/beerkoff).
Big Data ist Chance und Risiko zugleichBild: Fotolia/beerkoff

Wie groß dieses Risiko ist, könnte davon abhängen, welche Daten die Forscher sammeln.

Vereinfacht gesagt, gibt es zwei Arten: statische und dynamische Daten.

Statische Daten wären zum Beispiel Daten, die von einer Probe von 100 Leuten gesammelt wurden, die alle zu regelmäßigen Zeiten ins Krankenhaus gehen, um ihre Herzfrequenz messen zu lassen.

Dynamische Daten hingegen, sind ein konstanter Strom von potenziell ständig ansteigenden und variablen Daten, so wie wir sie über eine Smart Watch weitergeben.

Derzeit ist es schwieriger, dynamische Daten zu erheben als statische. Die Algorithmen oder die Analytik müssen genauso schnell sein wie die Erhebung der Messdaten. Und das haben wir noch nicht erreicht.

Anonymität gewähren

In Deutschland verhindert die Gesetzgebung, dass Forscher sehr persönliche, dynamische Daten verwenden können.

"Es gibt Studien, die gezeigt haben, dass einzelne Haushalte mit relativ einfacher Data-Mining-Technologie re-identifiziert werden können und herausfinden, wer, wo lebt", sagt Emmanel Müller vom Karlsruher Institut für Technologie. Das sei ein persönliches Anliegen.

"Deshalb glaube ich, dass die Gesetzgebung so bleiben sollte wie sie ist. Man sollte nicht sämtliche Informationen über seinen Haushalt oder seine gesundheitlichen Aktivitäten an eine allgemeine Instanz geben. Aber es kann auch anonyme Datensätze geben, bei denen man nur eine Gesamtinformation gibt und nicht jedes einzelne Detail. Wenn man also Informationen zum allgemeinen Blutdruck in der gesamten Gesellschaft sammelt, sollte das ausreichen, um etwas über die Bevölkerung zu erfahren. Man muss nicht meine Herzfrequenz in Sekunden oder Millisekunden kennen. Das würde bei Gesundheitsvorschriften auf Regierungsebene nicht helfen."

Technologiefirmen wie Google und Apple dürften da wahrscheinlich anderer Meinung sein. Was, wenn sie sich auch im Gesundheitswesen ausbreiten, und wir würden aufgefordert, die Unterlagen, die der Arzt von uns hat, in der Cloud zu synchronisieren? Es wäre keine große Anstrengung für Apples Smart Watch von "nett" zu "neugierig" zu wechseln.