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Bildergeschichten: Kein Krieg in Sicht?

Tillmann Bendikowski28. Juli 2014

Ein Bild und seine Geschichte: Im Juli 1914, kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs, genießt Deutschland den Sommer. Die Regierung wiegt die Bevölkerung in Sicherheit - und schürt hinter den Kulissen den Krieg.

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Strandleben im Ostseebad Swinemünde 1914
Bild: ullstein bild-Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl

Der Juli 1914 ist ein schöner Sommer. Deutschland macht Urlaub, etwa hier im Ostseebad Swinemünde. Typisch schon damals die akkuraten Strandburgen, anders als heute müssen es die Urlauber allerdings in wenig luftiger Kleidung aushalten - lockere Strandmode ist noch verpönt. Wer Schwimmen gehen will, betritt eine jener Umkleidekabinen, die auch hier in Swinemünde die Landungsbrücke prägen. Tiefer Frieden scheint über dem Urlaubsort zu liegen. Tatsächlich wissen die Menschen noch nicht, dass die Deutschen schon bald zu den Waffen greifen werden.

"Lachende Sommerzeit", titelt eine Tageszeitung Anfang des Monats: "Die Eisenbahnzüge rollen in diesen Wochen des stärksten Verkehrs dicht gefüllt durchs Land, und mit ihnen rolliert wieder das Geld." Urlaub ist längst ein Geschäft. Wer allerdings kein Geld hat, muss daheim bleiben. Die Arbeiterfamilien entspannen sich keineswegs an der Ostsee oder in den Bergen, sie können mit ihren Kindern gerade einmal Ausflüge in das Umland unternehmen. Doch egal wohin die Reise geht - das Attentat von Sarajevo Ende Juni beunruhigt die Deutschen nicht so sehr, dass sie ihre Pläne fallen lassen.

Deutsche Führung spielt ein falsches Spiel

Und die deutsche Reichsregierung tut alles, um mögliche Bedenken weiter zu zerstreuen: Führende Männer aus Politik und Militär machen ebenfalls demonstrativ Urlaub. Generalstabschef Moltke weilt zur Kur in Karlsbad, auch sein Stellvertreter wird in die Ferien geschickt, Kriegsminister Falkenhayn macht ebenso Erholungsurlaub wie Reichskanzler Bethmann Hollweg. Dass er bis zu seinem Ferienende am 25. Juli indes mehrfach in die Hauptstadt zurückkehrt, bleibt vorerst ein Geheimnis. Und dann sticht auch noch der Kaiser selbst in See, um zu seiner üblichen Nordlandreise Richtung norwegischer Küste aufzubrechen.

Doch die deutsche Führung spielt ein falsches Spiel: Tatsächlich haben Kaiser Wilhelm II. und seine Militärs Österreich nach dem Attentat von Sarajevo ermutigt, militärisch gegen Serbien vorzugehen. Dabei unterliegen sie einer fatalen Fehleinschätzung: Sie glauben, Russland werde seinem Verbündeten Serbien nicht zur Hilfe eilen, und gehen zudem davon aus, dass Frankreich nicht kriegsbereit ist und England ohnehin in einen kriegerischen Konflikt nicht eingreifen werde. Als Ende Juli der Irrtum ersichtlich wird, überschlagen sich die Ereignisse. Kriegsangst ergreift die Deutschen: Fluchtartig verlassen die Menschen ihr Urlaubsdomizil, in hoffnungslos überfüllten Zügen reisen sie zurück in die Heimat, von wo aus kurz darauf Soldaten erneut in überfüllten Zügen an die Fronten fahren. Am 1. August 1914 hat Deutschland mobil gemacht, der Krieg beginnt.