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Bildergeschichten: Kiffen mit Ferdinand Lassalle

Tillmann Bendikowski28. Oktober 2013

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1858: Der Arbeiterführer experimentiert mit Freunden

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Ein Mann zündet einen Joint mit Marihuana an (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Drogen sind ein Stück Menschheitsgeschichte. Zu allen Zeiten gab es Menschen, die mal mehr, mal weniger geschickt damit umzugehen verstanden. Dieser junge Mann zündet sich in aller Ruhe einen Joint an – ob er mit dem Marihuana verantwortungsbewusst hantiert oder der Droge verfallen ist, lässt sich anhand des Bildes nicht sagen. Es soll in diesem Falle ohnehin vor allem der Veranschaulichung einer ungewöhnlichen historischen Begebenheit dienen, die sich an einem Winterabend 1858 in Berlin zutrug: Der populäre Arbeiterführer Ferdinand Lassalle trat dabei als Gastgeber und freigiebiger Verteiler von Haschisch auf.

Lassalle war ohnehin dafür bekannt, seinen Gästen gerne etwas Besonderes zu bieten. Diesmal ließ er vor dem Essen lange Pfeifen reichen, auf deren glimmenden Tabak er Pastillen aus Haschisch legte. Die hatte ihm ein befreundeter Ägyptologe soeben aus Persien mitgebracht. Die versammelten Herren probierten das Rauschmittel gerne aus – und was sie dabei erlebten, dokumentierte der ebenfalls anwesende bekannte Feuilletonist Ludwig Pietsch später in seinen Erinnerungen.

Der Journalist selbst verspürte vor allem "ein süßes, wohliges Behagen, ein Gelöstsein aller Glieder". Der Schriftsteller Ernst Dohm wurde zunächst ausgesprochen albern, ehe er sich in eine Eule verwandelt glaubte, die merkwürdigerweise mit einer Postkutsche durchs Land reise. Der Komponist Hans von Bülow geriet anfangs in "poetisch-musikalische Verzückung", hatte aber leider vor dem Kiffen viel zu üppig gegessen, weshalb ihn – wie es vornehm hieß – rasch "ein sehr prosaischer Sturz aus seinen Himmeln" ereilte. Doch der Abend endete nach Abklingen des Rausches harmonisch mit einem gemeinsamen Nachtessen und "einer langen Sitzung beim Wein".

Ferdinand Lassalle enthielt sich an diesem Abend übrigens des Haschisch-Konsums, er wollte lieber die Wirkung an seinen Gästen beobachten. Rückblickend könnte man spotten, dass der Arbeiterführer ja auch ohne Drogen ausreichend komische Phantasien hatte. So glaubte er nicht nur an den Sieg der Revolution, sondern auch daran, dass er dann als neuer Präsident einer Republik mit "acht Schimmeln vor dem Triumphwagen" durch das Brandenburger Tor einziehen werde. Damit ist es bekanntlich – wie mit einem vernünftigen Sozialismus auf deutschem Boden – nie etwas geworden. Und Lassalle ließ sich 1864 wegen einer Frau auf ein Duell ein und wurde dabei getötet. Mit Verlaub: Da wäre er bei einem gepflegten Pfeifchen besser aufgehoben gewesen.