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Wem die Stunde schlägt

Tillmann Bendikowski29. Juli 2013

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1893: In Deutschland werden die Zeitzonen abgeschafft.

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Bild: ullstein

Ja, ja, die Deutsche Bahn – nicht einmal ihre Uhren gehen richtig. So möchte man jedenfalls spotten beim Anblick dieser Uhr auf dem Bahnhof von Naumburg in Sachsen-Anhalt. Doch gemach: Wer sich über falsche, oder wie in diesem Falle sogar konkurrierende Uhrzeiten empört, sollte sich vielleicht mit etwas Dankbarkeit an das historische Verdienst der Eisenbahn erinnern – das Verdienst nämlich, dass es hierzulande überhaupt eine einheitliche Uhrzeit gibt: Am 1. April 1893 wurden im Deutschen Reich die unterschiedlichen Zeitzonen abgeschafft.

Bis zu diesem Zeitpunkt war Deutschland zumindest hinsichtlich der Zeitzonen ein Land wie jedes andere auch: Im 19. Jahrhundert war es durchaus üblich, dass jede halbwegs größere Stadt eine eigene Uhrzeit besaß. In einem Umkreis von wenigen Kilometern konnten also ganz eigene Zeitrechnungen herrschen – und wer eine Reise zwischen ihnen unternahm, konnte während dieser auch schon mal einige Minuten oder Stunden einsparen oder sogar "vor der Zeit" ankommen.

Für die Eisenbahn war dieser Zustand unhaltbar – vernünftige Fahrpläne ließen sich so kaum aufstellen. Und das neue Transportmittel war mächtig: In England hatte die Bahn einige Jahre zuvor kurzerhand eine eigene Eisenbahn-Standartzeit eingeführt, die unabhängig von lokaler Rechnungsweise für alle Eisenbahnlinien im Land galt – und zwar die sogenannte "Greenwich-Zeit". An ihr orientierten sich ab 1893 auch die Deutschen: Das Maß aller Dinge war in dieser Hinsicht fortan die mitteleuropäische Zeit des 15. Längengrades, also die Greenwich-Zeit plus eine Stunde.

Vergessen wir nicht die Kritiker der damaligen Neuerung, schließlich ging im Westen (etwa in Köln) die Sonne zu einem anderen Zeitpunkt unter als im Osten (etwa in Königsberg). Eine einheitliche Zeit bringe deshalb die "natürliche Ordnung" durcheinander, hieß es 1893 in einer entsprechenden Debatte im Deutschen Reichstag. Es sei gänzlich widernatürlich, eine Zeit einzuführen, die "den doch bestehen bleibenden Verhältnissen von Licht und Dunkelheit direkt entgegensteht". Darüber mag man schmunzeln, doch die Aktualität solcher Überlegungen ist nicht zu übersehen: Die Gegner der aktuell herrschenden Sommerzeit argumentieren schließlich ähnlich – und führen überdies die Mär von einer möglichen Energieersparnis ins Feld. Aber dass es noch immer bei dieser Kunst-Zeit bleibt, ist ausnahmsweise einmal nicht die Schuld der Deutschen Bahn.