Biodiversität in Tschernobyl
Unsichtbar, aber doch gefährlich, zerstörte die radioaktive Strahlung, freigesetzt durch die Tschernobyl-Katastrophe vor 29 Jahren, das Leben rund um den Reaktor. Wie hat sich die Biodiversität seitdem verändert?
Das kontaminierteste Ökosystem der Welt
Die Menschen, die rund um das Atomkraftwerk von Tschernobyl lebten, mussten ihre Häuser nach der Katastrophe im April 1986 verlassen. Damals wurde eine Sperrzone im Radius von 30 Kilometern um den Reaktor errichtet. Noch heute messen Geigerzähler radioaktive Strahlung. Auch wenn es als das am stärksten verseuchte Ökosystem der Welt gilt, gibt es hier noch immer Leben...
Eine Welt ohne Menschen
Vor der Katastrophe lebten rund 2000 Menschen in Tulgovichi, einem Dorf in der 30-Kilometer-Sperrzone. Heute ist der Ort das Zuhause von weniger als zehn Menschen. Wie verändert sich eine Landschaft, wenn sie plötzlich von Menschen verlassen wird?
Einzelne Tiere oder blühendes Leben?
Bisons wurden 2011 in der Sperrzone fotografiert, aber die Frage, ob es nur einzelne Tiere gibt oder blühendes Leben, ist nicht so einfach zu beantworten. Unterschiedliche Wissenschaftler sind entgegengesetzter Meinung. Einige sagen, dass in den Bereichen mit hoher radioaktiver Strahlung, die Anzahl an Spinnen und Insekten geringer ist - vor allem in einem 10-Kilometer-Radius um den Reaktor.
Mehr Forschung nötig
Andere Wissenschaftler kritisieren diese Studien und sagen, dass sie nicht für das entworfen waren, was sie untersuchen wollen. Auf ihren eigenen Exkursionen in die Sperrzone haben sie dort mindestens genauso viele Tiere gesehen wie in ähnlichen Lebensräumen außerhalb der Zone - unabhängig vom Strahlungsgrad. Bis heute gibt es keine quantifizierende vergleichende Studie, die diese Frage klärt.
Die Folgen der Strahlung
Es ist lange bekannt, dass Radioaktivität die genetische Information des Lebens (DNA) verändert. Deswegen ist es wenig überraschend, dass nach dem Reaktorunglück Tiere häufiger Tumore oder deformierte Körperteile aufwiesen. Einige Vögel jedoch haben sich Studien zufolge an die Radioaktivität angepasst, indem sie mehr Antioxidantien produzieren, die gegen genetische Schäden schützen.
Aus der Ordnung geraten
Forscher untersuchen außerdem, ob die Strahlung das Verhalten von Tieren beeinflusst. Unter Koffein oder dem Einfluss anderer Drogen verlieren Spinnen, ihre Fähigkeit perfekt geometrische Netze zu spinnen. Timothy Mousseau von der Universität South Carolina fotografierte in der Sperrzone Spinnen-Netze, um zu analysieren, ob die Radioaktivität einen ähnlichen Einfluss hat.
Tiefer graben
Radioaktivität hat auch weniger sichtbare Folgen auf Lebewesen in der Sperrzone. Um diese zu untersuchen, mussten die Forscher graben: Sie untersuchten die Verbreitung von Lebewesen im Boden und fanden heraus, dass die Anwesenheit von Regenwürmern, Tausenfüßlern und Hornmilben ein erstes Zeichen für die Erholung eines Ökosystems nach einem Atomunfall ist.
Die Geschichte wiederholt sich
Es klingt fast zynisch, aber die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima eröffnet ein neues "Labor" für Wissenschaftler, um die Wirkung von Radioaktivität auf die Biodiversität zu untersuchen. Japanische Wissenschaftler etwa haben herausgefunden, dass Mutationen im Genom des "Pale grass blue"-Schmetterlings die Körper und Flügel der Insekten verformten.