Bischof Artemije lehnt Bananen-Staaten auf dem Balkan ab
5. Juni 2003Köln, den 3.6.2003, DW-radio / Serbisch, Nebojsa Jakovljevic
Interview mit Bischof Artemije aus Kosovo
Auch vier Jahre nach dem Kosovo-Krieg sind die Vertreter der internationalen Gemeinschaft nicht zufrieden mit den erzielten Ergebnissen. Äußerst unzufrieden sind selbstverständlich die Serben aus dem Kosovo. Viele von ihnen können nicht in ihre Heime zurückkehren. Die wenigen, die dort leben, können sich nicht frei bewegen. Kurz gesagt, sind sie mit den Lebensbedingungen unzufrieden. Was ist in den letzten vier Jahren in der südserbischen Provinz erreicht worden? Darüber sprach DW-radio mit dem Bischof von Raska und Prizren Artemije.
Frage:
Was wurde in den letzten vier Jahren in Bezug auf die Lösung desKosovo-Problems erreicht?
Antwort:
Es ist schwer darüber zu sprechen. Denn wenn wir die Situation in Kosovo und Metohija aus Sicht der Lage der serbischen Gemeinschaft betrachten, in der sie schon seit vier Jahren lebt, muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Mission der internationalen Gemeinschaft in Kosovo und Metohija in diesen vier Jahren absolut nicht die gewünschten Ergebnisse hervorgebracht hat. Die Resolution der UN 1244 in Bezug auf die serbische Gemeinschaft wurde nicht in den Punkten umgesetzt, in denen vorgesehen ist, ein normales Leben für alle Bewohner von Kosovo und Metohija zu gewährleisten. Diese Punkte wurden nicht in die Praxis umgesetzt, so dass die serbische Gemeinschaft unter denselben Bedingungen lebt, die nach dem Krieg und nach dem Einzug der internationalen Gemeinschaft in Kosovo und Metohija herrschten. Das bedeutet, ohne irgendwelche Menschenrechte. Wir haben kein Recht auf Leben, auf dieses grundlegende Menschenrecht. Wir haben kein Recht auf Bewegungsfreiheit, weil wir nirgendwohin ohne die Begleitung von KFOR-Soldaten oder Polizei gehen können. Wir können keinen einzigen Schritt außerhalb der Grenzen von unseren Enklaven oder Lagern oder Ghettos machen - wo das übriggebliebene serbische Volk lebt.Aus Kosovo und Metohija wurden über 250 000 Serben in dieser Zeit vertrieben, zurückgekehrt sind kaum einige Hundert in diesen vier Jahren. Wir haben keine normale Schulausbildung oder Beschulung der Kinder. Viele Schüler haben Unterricht in Privatwohnungen und Kellern. (...) Kurz gesagt, die internationale Gemeinschaft hat in Kosovo und Metohija das Hauptproblem nicht gelöst, und zwar existiert keine multiethnische Umgebung in Kosovo und Metohija.
Frage:
Welche Schritte müssen kurzfristig unternommen werde?Antwort:
Das A und O der ganzen Kosovo-Frage ist die Resolution 1244. Es sollte alles unternommen werden, um sie umzusetzen. Und das bedeutet, die Rückkehr aller vertriebenen Personen in ihre Heimat sollte ermöglicht werden; alle, die in Kosovo und Metohija Terror ausüben, sollen daran gehindert werden. Dabei handelt es sich um albanische Extremisten, die weiterhin töten, angreifen, schlagen, plündern usw. Das heißt, die Herrschaft des Rechts soll eingeführt werden. Das Schlimmste daran ist, dass in diesen vier Jahren in Kosovo und Metohija über 110 Kirchen und Klöster zerstört wurden, dass so viele Verbrechen begangen wurden, ohne dass irgendein Verbrecher identifiziert oder vor Gericht gestellt wurde. Solange im Kosovo die albanischen Extremisten und Terroristen sich frei bewegen, können wir, die serbische Gemeinschaft, keine Freiheit haben, oder uns in Kosovo und Metohija frei fühlen. Somit kann auch die Mission der internationalen Gemeinschaft nicht erfolgreich sein. Was man tun soll, ist, die Rückkehr zu ermöglichen, den Terror zu stoppen und die Macht der Mafia, Drogenhandel, Waffenhandel und alles, was nicht erlaubt ist, zu unterbinden.Frage:
Wie kann man die Status-Frage von Kosovo lösen?Antwort:
Die Frage des endgültigen Status von Kosovo und Metohija muss im Rahmen der Resolution 1244 ohne Veränderung der bestehenden Grenzen der Staaten auf dem Balkan gelöst werden. Das heißt, all die zuvor genannten Probleme müssten gelöst werden: dass alle Bürger die Möglichkeit und das Recht bekommen, frei zu leben und ihrer Tätigkeit nachzugehen, dass sie die Schule besuchen und dass sie alles, was sie benötigen, auch haben - so wie die Menschen in demokratischen Ländern. Dann wäre Kosovo und Metohija zusammen mit anderen Teilen des Balkans über Serbien in die EU einbezogen. Das wäre Integration und keine Desintegration oder die Bildung irgendwelcher Bananen-Staaten. Dies wäre absolut unannehmbar und unmöglich für Kosovo und Metohija, weil das eine Kettenreaktion in anderen Teilen des instabilen Balkans auslösen würde. In jedem Fall liegt das Problem in der Hand der internationalen Gemeinschaft, ob sie entschieden gegen die Verbrechen in Kosovo und Metohija vorgeht oder ob sie es auch weiterhin toleriert. (md)