Bischöfe wollen Vertrauen zurückgewinnen
26. September 2014Nein, Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst spielte keine Rolle mehr bei der Herbstvollversammlung der katholischen deutschen Bischöfe in Fulda. Dabei hatte sich gewiss jeder der gut 60 Oberhirten in den vergangenen Monaten zu dem früheren Limburger Bischof äußern müssen, dessen Amtsverzicht Papst Franziskus nach vielen Wirren um einen überteuerten luxuriösen Neubau Ende Mai angenommen hatte. Der katholischen Kirche in Deutschland kostete die Affäre Tebartz-van Elst Glaubwürdigkeit. Mal wieder.
Aber die Bischöfe hatten auch ein Gegenbild von Bischof zu Gast. Aus dem Nordirak war Erzbischof Emil Shamoun Nona zu ihnen gekommen. Seine Heimatstadt Mossul ist in der Hand der IS-Terroristen, sein Bischofshaus dient ihnen als Kommandozentrale. "Jetzt sind wir alle auf der Flucht", sagt der 46-jährige. Als Residenz, meint er, diene ihm nun sein Auto, mit dem er die geflüchteten Christen in Notquartieren rund um Erbil besuche. Nonas Schilderungen von Gräueltaten, von Verzweiflung und Flüchtlingselend bewegten die Bischöfe spürbar.
Mehr Flüchtlinge aufnehmen
Die katholische Kirche in Deutschland will ihre Hilfe ausweiten und am 12. Oktober in allen Sonntagsgottesdiensten Spenden sammeln. Und es steigt die Zahl der Diözesen, die leer stehende Gebäude für Flüchtlinge öffnen. Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke etwa stellte kurzfristig ein leer werdendes Schulgebäude zur Verfügung. Bei allem, so Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Konferenz, dürfe es "nicht einfach um ein Dach über dem Kopf" gehen, "und dann lassen wir die Menschen alleine". Nicht nur bei diesem Thema sind die Bischöfe deutlich ermutigt durch Papst Franziskus, eine größere Nähe zu Menschen in Not zu zeigen.
Die erste Vollversammlung unter dem Vorsitzenden Reinhard Marx, den die Bischöfe im Frühjahr mit einer ungewöhnlich schwachen Mehrheit zum Nachfolger von Erzbischof Robert Zollitsch gewählt hatten, bedeutete den Versuch eines Neuanfangs, mal wieder. Moraltheologische Mahnungen werden zurückhaltender formuliert. Und bei heikleren Fragen klingt immer die weltkirchliche Perspektive mit. Offensichtlich diskutieren die Bischöfe wenn nicht offener, so doch angstfreier miteinander als vor Jahren. Dass es bei einer wesentlichen Fragestellung innerhalb der Konferenz eine Mehrheits- und Minderheitsmeinung gibt, geht aus dem Abschlussbericht des Vorsitzenden wie selbstverständlich hervor. Das ist neu. Die Zeiten des geschlossenen Blocks sind vorbei.
Nein zu Sterbehilfe
Die Bischöfe meldeten sich in einer innerdeutschen gesellschaftlichen Debatte zu Wort, die für breite Kontroversen sorgt - die Beihilfe zum Suizid. Bis Ende 2015 soll es in dieser Frage eine gesetzliche Klärung geben. Erste Gesetzentwürfe sind skizziert, doch der Mainzer Kardinal Karl Lehmann lehnt eine frühzeitige Festlegung ab. Es sei doch klar, dass weitere gesetzliche Regelungsvorschläge ausgearbeitet würden.
"Die katholische Kirche spricht sich nachdrücklich gegen alle Formen der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zur Selbsttötung aus", heißt es in einer Broschüre, die Lehmann vorstellte und die vielhunderttausendfach in den Gemeinden verteilt werden soll. "Wir sind der Überzeugung, dass das menschliche Leben dem Menschen selbst nicht einfach verfügbar ist", so der Kardinal.
Und doch rang Lehmann in langen Sätzen um eine Haltung zum derzeit meistdiskutierten Fall von möglicher Sterbehilfe in Deutschland. Der oberste deutsche Protestant, der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider, hatte angekündigt, seine an Krebs erkrankte Frau in die Schweiz zu begleiten, falls sie sich für Sterbehilfe entscheide und dazu ins Ausland reise. Er kenne, so Lehmann, Schneider und dessen Frau seit langem und wolle die Ankündigung "nicht beurteilen" und wolle sich eines "billigen Urteils enthalten". Er spricht von dem Geheimnis der Liebe, das er respektiere. Und doch habe Schneiders Ankündigung die Sache nicht leichter gemacht. Denn er sei eben auch Amtsperson in einer öffentlichen Debatte. Es ist eine Debatte, die beide große Kirchen in Deutschland im nächsten Jahr noch herausfordern wird.
Neubestimmungen
Das große katholische Thema dieser Wochen stand nicht prominent auf der Tagesordnung, aber doch im Raum. Seit 2010, als der Missbrauchsskandal bekannt wurde eine breite Erschütterung auslöste , steht die katholische Kirche in Deutschland in einem Prozess der Neubestimmung. Nun läuft vieles auf einen Schlusspunkt im September 2015 hinaus. Marx kündigte an, ein seit 2011 laufender, mehrjähriger Reform-Dialog von Laien und Bischöfen solle Mitte September nächsten Jahres enden. Ziel: Vertrauen zurückgewinnen. Und wie es gewiss nicht nur der Zufall will: Just zwei Tage später werden die deutschen Bischöfe nach Rom reisen, um dem Papst und der Kurie offiziell über die Lage der Kirche in Deutschland zu berichten.
Aber schon jetzt, in diesen Herbsttagen 2014, geht der Blick der deutschen Bischöfe weit stärker, vielleicht auch neugieriger als früher nach Rom. In zehn Tagen startet dort eine Außerordentliche Bischofssynode zum Thema Familie. Als die deutschen Bischöfe zur Vorbereitung vor einem knappen Jahr per offener Umfrage die Stimmung im Kirchenvolk einholten, kamen die heißen Eisen auf den Tisch: Kritik an der strikten Sexualmoral der Kirche, der Umgang mit Homosexuellen, die Ausgrenzung von wiederverheirateten Geschiedenen.
Reinhard Marx zitierte einen Satz des Papstes zu Beginn des Fuldaer Bischofstreffens: "Die Wirklichkeit ist mehr als die Idee." Der Münchener Kardinal fügte hinzu: "Es reicht nicht einfach zu sagen: Wir haben ja die Wahrheit, wir müssen sie nur besser erklären." Die Bewegung der Bischöfe, an ihrer Wahrheit festzuhalten und doch wieder stärker bei den Menschen anzukommen, fängt gerade erst an.