Mehr Schutz für Stalking-Opfer
13. August 2014Das Bundeskabinett hat ein Gesetz für einen europaweit koordinierten Schutz von Gewaltopfern auf den Weg gebracht. Dazu gehören auch Menschen, denen nachgestellt wird, sogenannte Stalking-Opfer. Wird der Gesetzentwurf verabschiedet muss Deutschland die Gerichtsbeschlüsse aus anderen EU-Ländern auch im eigenen Land anwenden. Das Bundeskabinett folgte einer EU-Richtlinie, die von allen europäischen Ländern bis Anfang Januar 2015 umgesetzt werden muss.
Deutsche Welle: Warum ist ein grenzüberschreitender Schutz von Stalking-Opfern notwendig?
Bianca Biwer: In der Beratungsarbeit des Weissen Rings gibt es viele Fälle, bei denen sich Täter und Opfer in einem anderen Land aufhalten. Da ist ein einheitlicher Straftatbestand durchaus relevant. Die Trennung einer Beziehung ist die häufigste Ursache von Stalking. Zum Beispiel, wenn zwei Partner verschiedene Nationalitäten haben und nach der Beendigung einer Beziehung, einer von ihnen in seine Heimat zurückkehrt. Oder wenn sich jemand nach der Trennung im Ausland bewirbt und dann einen Arbeitsplatz annimmt, um der Stalking-Situation und dem Täter zu entgehen. Da ist eine einfache und schnelle Kooperation zwischen den ausländischen Behörden von zunehmender Bedeutung.
Warum ist eine räumliche Veränderung des Opfers ratsam?
Die Stalking-Opfer leben nicht mehr frei und selbstbestimmt. Sie verändern ihre gesamte Handlungsweise, ihre gesamten Abläufe. Das führt dazu, dass ein Opfer nicht mehr in der Freizeit aus dem Haus geht und zu einem ängstlichen oder schreckhaften Menschen wird. Deswegen empfinden sie es irgendwann als eine unheimliche Erleichterung, sich räumlich entfernen zu können, weil die Nachstellung enorme Auswirkung auf den Alltag hat.
Was muss sich denn bei der bisherigen Gesetzeslage europaweit verbessern?
Stalking-Gesetze schränken den Freiheitsraum des vermeintlichen Täters sehr stark ein. Deshalb müssen sie sehr präzise sein. Und für die Opfer ist hilfreich, wenn sie das Verfahren nur einmal durchlaufen. So müssen sie nicht alles mehrmals durchleben.
Nach einem Verfahren ist dann klar: Wenn sich ein Täter den gerichtlichen Anordnungen widersetzt, können die Opfer dann die Polizei rufen. Auch wenn Stalking harmlos klingt, kann es unerträgliche Auswirkungen für Opfer haben.
In Deutschland ist die Nachstellung erst seit 2007 eine Straftat. Bis Stalking aber als solche anerkannt wurde, war es ein langer Weg. Wie steht es um den Opferschutz in anderen Ländern Europas?
Der Umgang mit Stalking-Tätern ist in jedem Land unterschiedlich geregelt. Die deutsche Gesellschaft ist mittlerweile schon etwas offener gegenüber dem Thema, aber es war dennoch ein langer Prozess. Es gibt skandinavische Länder, die sehr starke Opferschutzrechte haben und diesbezüglich vorbildlich sind. Aber es gibt auch Länder, in denen der Schutz marginal bis überhaupt nicht ausgebaut ist. Insofern ist die EU-Richtlinie besonders wichtig und wir befürworten sie sehr. Stalking-Opfer brauchen länderübergreifende Rechte. Wenn ein Verfahren in einem Land erwirkt wurde und das Opfer dann offiziell Stalking-Schutz inne hat, könnte es diesen dann auch in andere Länder der EU mitnehmen.
Ansonsten gelten bei einem Umzug in ein anderes EU-Land wieder unterschiedliche Voraussetzungen. Wenn das Opfer dann auch noch kein Staatsbürger des Landes ist, in das es seinen Wohnsitz verlegt, dann hat das Opfer unter Umständen erschwerte Bedingungen oder gar keine Möglichkeit ein Verfahren gegen den mutmaßlichen Täter einzuleiten.
Aus der Beratungserfahrung können wir sagen, dass es für ein Opfer extrem beruhigend wäre, wenn es seine Rechte überallhin mitnehmen könnte. Nur so kann ein Stalking-Opfer sich auch in einem anderen Land vor Nachstellungen schützen.
Bianca Biwer ist Bundesgeschäftsführerin und Sprecherin des Weissen Rings. Der Verein hilft Kriminalitätsopfern. Er begleitet sie zu ihren Gerichtsterminen, bietet psychologische Beratung, gibt Rechtsauskünfte und stellt Anwälte zur Verfügung.