Sicherheit als Geschäft
29. Februar 200817 irakische Zivilisten wurden im September 2007 getötet und 24 weitere verwundet, als bewaffnete Amerikaner auf dem Bagdader Nissur-Platz das Feuer auf vermeintliche Angreifer eröffneten. Der mit Abstand schwerste Zwischenfall dieser Art, aber bei weitem nicht der erste. Im Gegensatz zu vielen anderen Fällen wurde dieser aber Anlass zu einer Anhörung im US-Kongress. Dieser beschäftigt sich zum ersten Mal mit einer Entwicklung, die in den USA und weltweit bereits durch die Medien ging, aber weitgehend ohne Konsequenzen blieb: Im Irak, ebenso aber in Afghanistan und in anderen Krisenregionen hat Washington zivile Sicherheitsgesellschaften im Einsatz: Ehemalige Elitesoldaten, die bestens ausgebildet und ausgerüstet sind und für hohes Gehalt Aufgaben übernehmen, mit denen sonst Spezialeinheiten beauftragt würden.
Blackwater aus dem Sumpf
Eine der mächtigsten Gesellschaften ist Blackwater USA. Unter der Leitung des erzkonservativen Multimillionärs und Bush-Unterstützers Erik Prince hat sich Blackwater seit seinen Anfängen 1997 zu einem der wichtigsten Player auf dem jahrelang wenig beachteten Bereich der neuen Sicherheitsfirmen entwickelt. Auf einem 45 Quadratkilometer großen Areal im ehemaligen Sumpfgebiet – daher auch der Name – von North Carolina bietet Blackwater umfangreiche Trainingkurse jeder Art an. Von hier wird der weltweite Einsatz gelenkt. Genaue Angaben sind nicht bekannt, aber aus dem ehemaligen Zuschußbetrieb und Steckenpferd des früheren Elitesoldaten Prince ist inzwischen ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 600 Millionen Dollar geworden. Tendenz steigend.
Offiziell tritt Blackwater – etwa im Irak - an, um Objekt- wie Personenschutz zu leisten: US-Diplomaten werden von schwer bewaffneten Blackwater-Leuten geschützt, Versorgungskonvois abgesichert und Ölpipelines gegen Sabotage geschützt. Die Männer, die mit Tageseinkommen bis zu 600 Dollar viel besser bezahlt sind, als die höchstdotierten Militärs, treten dabei entschlossen und rücksichtslos auf. Die Erfüllung ihres Auftrages ist erste Priorität, Rücksicht auf irakische Zivilisten spielt eine untergeordnete Rolle. Zumal man in jedem Zivilisten einen potenziellen Angreifer vermutet.
"Bomber, Panzerfaust, Scharfschütze"
Erik Prince beschrieb vor dem US-Kongress, wie der Alltag für seine Leute aussieht: “Die Fahrzeuge werden täglich beschossen. Mehrere Male jeden Tag. Das registrieren wir schon gar nicht mehr“, erzählte er. "Die meisten Angriffe, denen wir im Irak begegnen, sind komplex. Es handelt sich hier nicht um eine schlechte Sache, sondern um eine Reihe von schlechten Sachen. Eine Autobombe, dann leichtes Feuer oder Panzerfaust, gefolgt von Scharfschützen-Beschuss."
Prince ist stolz darauf, dass bisher keiner seiner Schützlinge zu Schaden gekommen sei. Seine Männer seien vorbildlich ausgebildet und diszipliniert und wenn aber doch mal einer von ihnen sich falsch verhalte, dann werde er entlassen. Juristische Konsequenzen hat bisher keiner von ihnen zu befürchten gehabt. Denn Firmen wie Blackwater operieren in einer juristischen Grauzone: Sie unterliegen nicht irakischem Recht und in den USA unterstehen sie entweder dem State Department oder dem Pentagon. Oder eben keinem von beiden.
An Gremien vorbei?
Der Kongress hat dies längst erkannt und gefordert, dass klare Verhältnisse geschaffen werden müssen. Dies ist bisher aber nicht geschehen. Der Vorsitzender des Arbeitskreises Militär und Sozialwissenschaft, Gerhard Kümmel, vermutet dahinter System: Der Einsatz von Blackwater könne auf diese Weise an parlamentarischen Gremien vorbei geplant werden und auch die Finanzierung bleibt undurchsichtig. Es wird vermutet, dass ein Teil der Gelder in die Taschen der Regierungs-Politiker oder -Partei zurückfließen. Ein weiter Grund schließlich: Verluste der Sicherheitsfirmen werden von der Öffentlichkeit viel weniger registriert als Verluste der regulären Streitkräfte.
Blackwater wird immer häufiger als Söldner-Truppe bezeichnet, Gerhard Kümmel will dies so aber nicht akzeptieren. Söldner seien Individuen, die sich ihres eigenen Profits wegen fremden Streitkräften zur Verfügung stellten: "Blackwater sind unternehmensmäßig organisierte Akteure, die kein individuelles, sondern ein korporatives Profit-Interesse haben."
Kombattanten?
Eine Unterscheidung zwischen Sicherheits- und Kriegseinsatz sei aber immer weniger möglich, wenn der Sicherheitseinsatz sich wie im Irak oder in Afghanistan in einem kriegerischen Umfeld abspielt und Firmen wie Blackwater dabei als Teil der amerikanischen Kriegsmaschine betrachtet werden. Völkerrechtlich würden die Mitarbeiter von Blackwater aber auch nicht als Kombattanten betrachtet. Ihnen stünden im Fall der Gefangennahme keine Privilegien zu – wie sie die Genfer Konvention vorschreibt – und ihr Status bedarf einer rechtlichen Klärung und die dürfte noch einige Zeit dauern, obwohl die UNO sich der Sache bereits annimmt.
Kümmel verurteilt den Trend zum "outsourcing" gewisser Aufgabenbereiche des Militärs nicht. Das gebe es in zunehmendem Maße bei den meisten Armeen, auch der Bundeswehr, betreffe dort aber meist eher harmlose Randbereiche. Je mehr Sicherheitsfragen direkt angesprochen werden, desto wichtiger sei dann die Kontrolle solcher Organisationen, damit der Staat sein Gewaltmonopol nicht aus der Hand gebe.
Unklar ist übrigens, in wie weit Deutsche jetzt auch an Operationen wie die von Blackwater beteiligt sind. Nur ein kleiner Teil des Personals stammt aus den USA selbst, die anderen werden weltweit angeheuert. Auch in Deutschland gibt es etwas obskure Anwerber. Blackwater benützt jedenfalls unter anderem Waffen der deutschen Marke Heckler und Koch. Nach dieser Veröffentlichung wurde zwar offiziell jede Zusammenarbeit eingestellt, die Firma hat aber eine US-Filiale und niemand weiß, was Blackwater liefert. Nicht nur für sie ist Blackwater eben eine amerikanische Sicherheitsfirma und unterliegt deswegen bisher keinem Waffenembargo. Selbst wenn die Waffen schließlich im Irak zum Einsatz kommen.