Bleibt die Türkei ein Touristenziel?
15. April 2017"Ich würde immer wieder hinfahren." Bärbel Künzel hat erst im Februar ihren Urlaub in der Türkei verbracht. Weder die Sicherheitslage noch die politischen Spannungen haben die 56-jährige Magdeburgerin abgehalten. Sie ist Türkei-Fan, seit sechs Jahren erholt sie sich regelmäßig in türkischen Badeorten. Für die Türkei als Reiseland spreche "das Essen, das Wetter, der Strand und ein super Preis-Leistungs-Verhältnis".
Wenige, aber zufriedene Gäste
Mit günstigen Preisen werben auch Reiseveranstalter unermüdlich: "Sie bekommen dort sehr viel Urlaub für vergleichsweise wenig Geld. Und unsere Gäste sind nach wie vor sehr zufrieden", sagt Kathrin Rüter-Pantzke, Pressesprecherin von Öger Tours. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben führender Anbieter für Türkeiurlaub auf dem deutschen Reisemarkt.
Im vergangenen Jahr waren in der Türkei die Einnahmen aus dem Tourismus um fast 30 Prozent zurückgegangen. Vor allem aus Angst vor terroristischen Anschlägen blieben die Urlauber fern. Die Flaute hält 2017 an, doch es scheint leicht aufwärts zu gehen: "Wir sehen eine positive Tendenz", sagt Rüter-Pantzke. Für den Sommer seien bei Öger Tours bislang etwas mehr Reisen gebucht worden als bis zum selben Zeitpunkt im Vorjahr.
Einbußen von rund 50 Prozent
Um die Hälfte eingebrochen ist das Türkei-Geschäft 2016 bei Europas größtem Touristikkonzern TUI: "In normalen Jahren hatten wir zwei Millionen Gäste in der Türkei", sagt Konzernsprecher Kuzey Alexander Esener. 2016 seien viele auf andere Urlaubsregionen wie Spanien, Griechenland, die Karibik oder die Kapverden ausgewichen oder auf Kreuzfahrt gegangen. Die Türkei sei für TUI aber nach wie vor wichtig: "Wir haben immer noch eine Million Kunden für die Türkei. Sie gehört weiterhin zu unseren Top-Destinationen." 2017 halte sich bislang immerhin das Niveau des vergangenen Jahres.
Konzerne wie TUI und große Hotelketten können solche drastischen Einbußen eher verkraften. Doch kleineren Unternehmen geht es zunehmend schlecht.
Reise-Boykott trifft die Bevölkerung
"Vielen Menschen wurde die Existenzgrundlage weggerissen", sagt die Betreiberin einer Pension im beliebten Badeort Side, die nicht namentlich genannt werden möchte. Die gebürtige Deutsche lebt seit 30 Jahren in Side. Tourismus-Krisen hat sie viele erlebt, etwa während der Golfkriege. Doch: "So schlimm wie jetzt war es noch nie."
Nur Stammgäste kämen derzeit. Sie glaubt, dass momentan viele deutsche Urlauber wegblieben, "weil sie damit ihrer Anti-Haltung gegen Erdoğan Ausdruck verleihen wollen." Das findet sie falsch: "Genauso wenig wie man pauschal türkische Geschäfte in Deutschland boykottieren sollte, sollte man die Türkei als Reisender boykottieren. Es könnte die Falschen treffen."
Pensionen, Lokale, Bars und Geschäfte litten ohnehin seit Jahren unter dem Preisdruck durch All-inclusive-Angebote großer Ketten. In einer Krise wie dieser, in der die Tourismusindustrie mit Dumpingpreisen Kunden lockt, verschärft sich das Problem.
Für Touristen alles normal
Koray Cavdir hat sein Büro in Antalya. Er leitet dort die Geschäfte von TUI in der Türkei. Das Alltagsleben in dem Touristenort sei normal, von politischen Spannungen oder wirtschaftlichen Problemen sei, zumindest in den Badeorten, für Gäste nichts zu spüren. Es gebe weder geschlossene Läden noch Probleme mit der Infrastruktur. Zwar seien einige Hotels zu, das aber saisonbedingt.
Nur: "Es fehlen die Urlauber. Noch ist es ziemlich leer", sagt er. Man hoffe aber, dass die Saison noch in Schwung kommt und setze verstärkt auf Qualität: "Die Hotels sind natürlich noch mehr als sonst bemüht, die Gäste bestens zu betreuen. Jeder Gast, der jetzt kommt, ist für uns sehr wertvoll."
Hinweise des Auswärtigen Amtes
Mit Blick auf das Referendum am 16. April empfiehlt das Auswärtige Amt, "sich von politischen Veranstaltungen und grundsätzlich von größeren Menschenansammlungen fernzuhalten.“ Es müsse "mit erhöhten politischen Spannungen und Protesten gerechnet werden, die sich auch gegen Deutschland richten können.“ Und damit gegen deutsche Reisende.
Den Hinweis, Metropolen und Menschenmengen zu meiden, bekam Bärbel Künzel auch schon im Februar von ihrem Reisebüro. In ihrem Urlaubsort fand sie aber "alles ganz normal. So wie immer." Sie kann sich gut vorstellen, im Oktober wiederzukommen: "Ich habe keine Angst, dass mir etwas passiert." Sie glaubt: "Die Leute, die regelmäßig in die Türkei fliegen, werden das auch weiterhin tun."