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Bloggen in Asien

Silke Wünsch9. Mai 2013

Im IT-Land Indien sind die meisten Menschen offline. In China wird das Netz überwacht. Und Bangladesch ist für Blogger kein Land, in dem man leben möchte. Drei Länder, drei Geschichten auf der re:publica 2013.

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DW-Panel über "Blogging und tweeting in Asia". V.l.n.r.: Ravish Kumar (Indien), Hu Yong (China) Ziphora Robina (DW) und Shahidul Alam (Bangladesh) am 8.Mai 2013 während der Bloggerkonferenz re:publica in Berlin (Foto DW / Silke Wünsch)
Bild: DW/S. Wünsch

Die Berliner Internetkonferenz re:publica ist zu einem wichtigen Forum für Netzaktivisten und Blogger aus Ländern geworden, in denen freie Internetnutzung ebenso wenig selbstverständlich ist wie die Redefreiheit. In diesem Jahr widmete sich auf der re:publica ein Deutsche Welle-Panel der Situation in Indien, China und Bangladesch.

"Obwohl Indien ein hochtechnisiertes Land ist, ist das Land offline", schildert Ravish Kumar, Journalist und TV-Moderator aus Indien. "Die Internetverbindung ist sehr schnell, aber nur ein elitärer Kreis nutzt das Netz." Mehr als 60 Prozent der Inder leben im ländlichen Raum, wie Kumar erklärt, aber 80 Prozent haben Mobiltelefone, die jedoch nur zum Telefonieren genutzt werden.

Trotzdem müssten die Menschen auf Informationen aus dem Netz nicht verzichten, so Kumar: "Fast an jeder Straßenecke werden für kleines Geld Downloads angeboten. Die Leute können sich zum Beispiel Videos per Blutooth auf ihr Handy laden oder über USB-Sticks."

Ravish Kumar, Journalist und Moderator beim indischen Privatfernsehkanal NDTV (Foto DW / Silke Wünsch)
Ravish Kumars Webseite "Qasba" ist eines der bekanntesten Hindi-BlogsBild: DW/S. Wünsch

Soziale Medien als Propagandawaffe

Dennoch spielt Online-Aktivismus in Indien eine immer größere Rolle. Denn die indische Führungsetage schläft nicht. Politiker haben zum Beispiel Twitter für sich entdeckt. "Und nicht erst, seit Barack Obama Twitter in seinem ersten Wahlkampf einsetzte", scherzt Kumar. Schon seit den Wahlen 2004 nutzen Politiker das Netz.

Nun aber trete eine Veränderung ein. Denn auch in Indien hat man festgestellt, dass man gerade soziale Medien wie Twitter und Facebook hervorragend für Propagandazwecke missbrauchen kann. Das nutzen vor allem rechtsgerichtete Gruppierungen, die auch in Indien stärker werden. Und wer sich kritisch gegenüber den führenden Kräften äußert, wird im Netz angegriffen.

Feinde des Islam

Beim indischen Nachbarn Bangladesch geht die Regierung weitaus härter mit Kritikern vor. Dort, so der Fotograf und Aktivist Shahidul Alam, wolle man als Blogger nicht sein. Kurz und knapp beschreibt er die Situation im größtenteils muslimischen Bangladesch: "Youtube ist vergangenen September gesperrt worden. Außerhalb der Blogosphäre hat niemand dagegen protestiert." Das Problem in Bangladesch sei, so Alam, dass man dort nicht wisse, wem man eigentlich vertrauen könne. Den Medien bestimmt nicht, da sie von großen Unternehmen und der Regierung dominiert würden. Man traue eher jemandem, den man kenne. Daher sei die Bloggerszene so wichtig.

"Manche kämpfen wie Partisanen, manche sind extremistisch, manche machen Propaganda. Aber es gibt auch Individuen in der Blogosphäre, die bekannt geworden sind und eine immer größere Community um sich herum scharen." Das gebe ihnen Kraft, und das mache sie so gefährlich für die Regierung.

Shahidul Alam, Fotograf und Aktivist aus Bangladesh, Jurymitglied bei den Bobs 2012 und 2013 bei der Bloggerkonferenz re:publica in Berlin (Foto DW / Silke Wünsch)
Dr. Shahidul Alam hält Vorträge auf der ganzen WeltBild: DW/S. Wünsch

Immer wieder werden regierungskritische Blogger verhaftet, weil sie "Feinde des Islam" seien. Asif Mohiuddin, Gewinner des Bobs-Awards 2012, sitzt im Gefängnis, weitere prominente Blogger werden verhaftet. Im Februar wurde ein Blogger getötet. Nun sei es eine wichtige Aufgabe für prominente und ältere Blogger wie ihn, so Shahidul Alam, die jungen Blogger zu schützen. Er selbst war 2013 zum zweiten Mal Mitglied in der Bobs-Jury und hat sich in der letzten Zeit den vielen ungeklärten Mordfällen in Bangladesch gewidmet, deren Opfer zumeist Blogger und Journalisten waren.

China kommuniziert über Weibo

In China dagegen sind soziale Medien aus den westlichen Ländern offiziell gar nicht erst erreichbar, was viele Nutzer allerdings umgehen können. Fast die gesamte öffentliche Online-Kommunikation läuft über den chinesischen Microblogdienst "Sina Weibo".

Der Journalist Hu Yong lehrt an der Universität in Peking, bloggt und war in diesem Jahr auch Mitglied in der Bobs-Jury. Er verdeutlicht am Beispiel des Künstlers Ai Weiwei, wie Dinge im Netz Einfluss auf das Geschehen haben können: "Als Ai Weiweis Blog gesperrt wurde, war die Kommunikation nur noch über Twitter möglich. Nachdem er wegen seiner Steuerschulden verhaftet worden war, wurde über Twitter eine Sammelaktion aufgerufen. Innerhalb kurzer Zeit kam genug Geld zusammen, um ihn wieder auszulösen."

Hu Yong, chinesischer Blogger mit einem Lehrstuhl an der Universität Peking und Jurymitglied bei den Bobs Awards 2013 (Foto DW / Silke Wünsch)
Hu Yong lehrt Journalismus und Kommunikations- wissenschaften, sein Blog hat 3,5 Millionen LeserBild: DW/S. Wünsch

In China werden Nachrichten stark zensiert. Daher spielten die sozialen Medien in China eine wichtige Rolle, sagt Hu Yong. Hier tauschten sich die Leute aus, diskutierten und kritisierten auch offen die Regierung. Die Regierung gebe enorm viel Geld für Überwachungstechnik aus, oft würden Kritiker erwischt. Manche müssten ins Gefängnis oder ins Arbeitslager.

Kleine aber wirkungsvolle Tricks und Finten

Natürlich haben Aktivisten und Kritiker auch Taktiken, die sie gegen die Überwachung einsetzen. Eine davon sei uralt, sagt Hu Yong. "Die Chinesen haben eine lange Tradition im 'zwischen den Zeilen schreiben'. Auch ganz früher schon konnten sich die Chinesen nicht immer frei äußern. Aber die Intellektuellen wussten schon immer, wie man sich auszudrücken hat, ohne verdächtig zu werden, und das klappt auch im Internetzeitalter." Der Trick ist simpel, hebelt aber offenbar sämtliche moderne Überwachungstechniken aus: Man benutzt die altchinesische Sprache und deren Schriftzeichen. Diese werden durch die Technik nicht erkannt. Oder man nutzt Codes in Form von Bildern, Musik oder Videos.

Auf Weibo gibt es noch einen weiteren Trick, um Informationen versteckt zu verbreiten, das sogenannte "Long Weibo": Man schreibt eine Worddatei und hängt sie als JPG - also getarnt als Foto - an ein ganz normales 140-Zeichen-Tweet dran. Auch das kann die Überwachung nicht finden.

Nichts ist vorhersehbar

Allen dreien auf der re:publica-Bühne ist klar, dass man auf die Schnelle nichts an den Zuständen ändern kann. Doch alle drei betonen auch, wie wichtig es ist, Tricks und Mittel zu finden, die Welt auf die Missstände in ihren Ländern aufmerksam zu machen. Ravish Kumar will nicht in die Zukunft blicken. "Wir haben gesehen, dass das Internet die Macht hat, Länder und damit Leben zu ändern." In Indien vollziehe sich der Wandel langsam und stückweise. Das Land möchte das Netz für mehr Menschen zugänglich machen. Doch erst einmal müssten die Menschen die Angst vor der Technik verlieren, denn die sei bei vielen Indern noch zu groß.

Hu Yong glaubt, dass das Internet in China nicht die Politik in Peking verändern kann. "Aber es fördert eine starke Zivilgesellschaft, die nicht kleinzukriegen ist."