Blutiger Konflikt im Süden Thailands
16. Januar 2013In den drei südlichsten Provinzen Thailands Pattani, Yala und Narathiwat, an der Grenze zu Malaysia, kämpfen Separatistengruppen seit Jahren gegen die Kontrolle des Staates und für mehr Selbstbestimmung. Sie überfallen Polizeistationen, zünden Autobomben und feuern mit Maschinengewehren auf Geschäfte oder öffentliche Einrichtungen. Sie drohen Ladenbesitzern, die am Freitag, dem muslimischen Feiertag, ihre Geschäfte öffnen. Sie enthaupten Menschen, die sie im Verdacht haben, mit der Regierung in Bangkok zu sympathisieren. Fast täglich wiederholen sich solche Szenen - nur wenige hundert Kilometer entfernt von Phuket und den idyllischen Tourismuszielen an der Westküste.
Brutaler Bürgerkrieg
In Thailands Süden herrsche ein Bürgerkrieg, der täglich an Gewalt und Brutalität zunimmt, schreibt die International Crisis Group in einer im vergangenen Dezember veröffentlichten Studie. Rund 5300 Menschen sind seit 2004, als eine neue Welle der Gewalt begann, ums Leben gekommen.
Knapp zwei Millionen Einwohner leben in den drei Südprovinzen. Die Mehrheit von ihnen, 80 Prozent, sind Muslime malaiischer Herkunft und Muttersprache. Sie sind eine kleine Minderheit im buddhistisch dominierten Thailand mit seinen rund 66 Millionen Einwohnern. Die Südregion gehörte jahrhundertelang zu dem unabhängigen muslimischen Sultanat Pattani. Seit 1902 wird sie direkt von Bangkok aus regiert.
Rebellen ohne Programm
Unklar seien die Ziele der Rebellen, erklärt Jim Della-Giacoma von der International Crisis Group (ICG) im Gespräch mit der Deutschen Welle. Es gebe keine konkrete Verhandlungsposition. "Was wir sehen, ist eine Aufstandsbewegung malaiischer Muslime, die im Süden für mehr Selbstbestimmung kämpfen, aber wir sind nicht sicher, ob sie eine Unabhängigkeit von Thailand anstreben - was sicher unrealistisch wäre - oder ob sie nur Schritt für Schritt mehr Autonomie erreichen wollen."In ihrer Studie beschreibt die International Crisis Group die Bewegung als Netzwerk von militanten Kleinkommandos auf Dorfebene. Dorfkomitees rekrutieren Nachwuchs, finanzieren die Aktionen, machen Propaganda und leiten geheime Informationen weiter. Diese Guerillataktik ermöglicht ihnen Geheimhaltung und schnellen Rückzug.
Repressives Militär
Der Staat setzt vor allem auf das Militär und auf die Militarisierung der Region. Derzeit sind im Süden etwa 65.000 Militärs, Paramilitärs und Polizisten stationiert. Zusätzlich hat die Armee rund 80.000 lokale Buddhisten bewaffnet und im Schießen ausgebildet.
Human Rights Watch berichtet, dass die Sicherheitskräfte häufig Verdächtige entführen, foltern und töten. Sondergesetze wie Kriegsrecht und Notstandsverordnung ermöglichen ihnen Straffreiheit und Schutz vor Strafverfolgung.
In Gewaltspirale gefangen
Die Sondergesetze geben dem Militär zu viel Macht und fördern Machtmissbrauch, kritisieren Menschenrechtsorganisationen seit langem. Sunai Pathak von Human Rights Watch ist inzwischen verärgert: "Seit neun Jahren haben wir ungelöste Fälle, wo Menschen von Sicherheitskräften illegal getötet, gefoltert, entführt wurden und verschwunden sind. Und keiner der Täter ist je verurteilt worden." Dies sei eine Steilvorlage für die Rebellen, die damit die Fortsetzung ihres gewaltsamen Kampfes rechtfertigen. Die Folge: weitere Repressalien des Militärs."Die Spirale der Gewalt dreht sich immer schneller", so Pathak. "Es ist ein Teufelskreis." Die Leidtragenden, die im Zentrum dieses Gewaltkreislaufs gefangen sind, seien die Menschen vor Ort. Rund 90 Prozent der Opfer sind Zivilisten. "Die Regierung muss sicherstellen, dass solche illegalen Praktiken nicht länger angewandt werden, und wenn es doch geschieht, dass die Täter bestraft werden", so Pathak. Nur auf diese Weise könne Bangkok das Vertrauen der Bevölkerung wiedergewinnen.
Die meisten Muslime im Süden Thailands gelten als moderat. Doch viele von ihnen fühlen sich im thailändischen Zentralstaat als Menschen zweiter Klasse. Aus ihrer Sicht waren die bisherigen Versuche früherer Regierungen, eine Plattform für einen Friedensdialog zu schaffen, wenig überzeugend.
Friedensgespräche
Premierministerin Yingluck Sinawatra, die seit August 2011 im Amt ist, hat gegenüber den Aufständischen einen gemäßigteren Kurs als manche ihrer Vorgänger eingeschlagen. Ihre Regierung will nun am 28. März in Malaysia Friedensgespräche mit den Muslim-Rebellen aufnehmen. Eine entsprechende Erklärung unterzeichnete der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Paradorn Pattannathabutr, und ein Vertreter der Rebellengruppe Barisan Revolusi Nasional (BRN) im Februar in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur. "Bei den Gesprächen soll es um einen Dialog, und voraussichtlich auch die Anerkennung einer kulturellen Autonomie gehen. Doch bisher gibt es keine offiziellen Angebote", erklärt Marco Bünte, Südasien-Experte und Dozent für Internationale Studien an der Monash Universität in Kuala Lumpur, Malaysia.
Doch die Regierung wird nicht ohne das mächtige Militär handeln können. Und das steht jeglicher Forderung nach mehr Autonomie der Südprovinzen ablehnend gegenüber - es fürchtet um die Einheit des Staates. "Das Militär will die Kontrolle nicht aufgeben", analysiert Jim Della-Giacoma von der International Crisis Group. "Es sieht sich selber als Schützer des Einheitsstaates, der auf dem König, der Religion und der Sprache beruht. Und all diese Elemente müssten verschoben werden, wenn dem Süden mehr Autonomie zugestanden würde."
Die Regierung müsse die Situation im Süden zur politischen Priorität machen und auch das bisherige Tabuthema Dezentralisierung in den Blick nehmen, mahnen die Autoren der ICG-Studie. Wie ernst z das Dialogangebot zu nehmen ist, wird sich in den Verhandlungen zeigen. Inzwischen geht die Gewalt in Thailands Süden unvermindert weiter.