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BND: de Maizière dreht den Spieß um

Marcel Fürstenau, Nina Werkhäuser6. Mai 2015

Der Innenminister weist den Vorwurf zurück, Deutschland sei in Wirtschaftsspionage der NSA verwickelt. Das Gegenteil sei der Fall. Doch die Opposition gibt sich mit der Erklärung nicht zufrieden.

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Geheimdienst-Kontrollgremium zur Spionageaffäre Thomas de Maiziere (Foto: Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/von Jutrczenka

Rund zwei Stunden war Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch Gast im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr). Auch Geheimdienst-Koordinator Peter Altmaier war dabei. Beide sollten erklären, was sie über die angebliche Ausspähung europäischer Unternehmen und politischer Institutionen durch die National Security Agency (NSA) wissen. Und vor allem: welche Rolle der Bundesnachrichtendienst (BND) als möglicher Helfer dabei spielte. Nach de Maizières Darstellung war es eher das Gegenteil dessen, was seit Wochen in Medien-Berichten behauptet wird. Demnach agierte die deutsche Seite eher als Bremser.

Die Bundesregierung, so der Innenminister nach dem Besuch im PKGr, habe 2008 auf eine Ausweitung der geheimdienstlichen Kooperation mit den USA verzichtet, da man sie als "problematisch" eingestuft habe. Die Wünsche der Amerikaner hätten nicht den beim BND geltenden "Sicherheitsmaßnahmen" entsprochen. Daher habe man von einer Ausweitung der Zusammenarbeit abgeraten. Welche Form der Unterstützung die NSA vom BND gerne gehabt hätte, darüber machte de Maizière allerdings keine Angaben. Auch deshalb halten die oppositionellen Grünen und Linken an ihrer Kritik am Innenminister und der Bundesregierung insgesamt fest.

Auch die SPD pocht auf Herausgabe der Selektoren-Liste

Im Zentrum der Streits steht der Begriff "Selektoren-Liste". Damit sind unter anderem Suchbegriffe wie Telefonnummern und IP-Adressen von Computern gemeint. Mit ihnen, aber auch mit Namen von Unternehmen wie EADS soll die NSA jahrelang gezielt in Europa spioniert haben. Die mit Fragen der Geheimdienste befassten Gremien des Bundestages sind darüber ihren Angaben zufolge aber nicht informiert worden. Deshalb befassen sich jetzt das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr) und der NSA-Untersuchungsausschuss intensiver denn je mit der Affäre.

SPD-Obmann Flisek versucht seit gut einem Jahr Licht ins Dunkel der BND/NSA-Affäre zu bringen (Foto: Daniel Naupold/dpa)
SPD-Obmann Flisek versucht im Untersuchungsausschuss seit gut einem Jahr, Licht ins Dunkel der BND/NSA-Affäre zu bringenBild: picture-alliance/dpa

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machte am Dienstag deutlich, der von den oppositionellen Grünen und Linken verlangte Herausgabe der Selektoren-Liste zumindest kurzfristig nicht nachkommen zu wollen. Sie verwies auf das sogenannte Konsultationsverfahren, in dem sich Deutschland und die USA abstimmen. Die Opposition will notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Davon hält der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek nichts. "Einen größeren Gefallen könne man der Regierung nicht tun", sagte er am Mittwoch in Berlin. Die könne sich dann "zurücklehnen und abwarten".

Erneut BND-Mitarbeiter im NSA-Untersuchungsausschuss

Nach Fliseks Verständnis liegt es aber in der "Souveränität" der deutschen Regierung, nach Abschluss der Konsultationen mit den Amerikanern unabhängig von deren Wünschen eine Entscheidung zu treffen. Der Sozialdemokrat machte deutlich, dass auch er fest mit der Herausgabe der Selektoren-Liste rechnet. In diesem Punkt ist er sich einig mit der Opposition. Aus Regierungskreisen verlautete allerdings, es werde nur in "gegenseitigem Einverständnis" mit den USA eine Übergabe an den NSA-Untersuchungsausschuss geben. So sei das in einem Geheimdienst-Abkommen aus den 1960er Jahren geregelt. Diese Auffassung teilt einer allerdings nicht: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Der SPD-Vorsitzende und Vize-Kanzler hat mehrfach deutlich gemacht, dass auch er eine Offenlegung der Selektoren-Liste erwarte.

Opposition im Bundestag verlangt Aufklärung

In einer aktuellen Stunde im Bundestag bekräftigte die SPD ihre Forderung, dass das Parlament Einsicht in die Selektoren-Liste bekommen müsse. "Die Liste ist elementar für die Aufklärung", sagte Susanne Mittag, die für die Sozialdemokraten im NSA-Untersuchungsausschuss sitzt.

Die Opposition ging noch weiter: Es könne nicht sein, empörten sich Linke und Grüne, dass der Bundestag demütig abwarten müsse, ob die NSA zur Freigabe der Liste bereit sei. "Das führt doch dazu, dass die Geheimdienstkontrolle nicht mehr im Kanzleramt stattfindet, sondern gleich bei der NSA", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. Das führe zu einer "Vertrauenskrise".

"Gute Zusammenarbeit der Dienste"

"Solange diese Liste zurückgehalten wird, werden die Spione geschützt und die parlamentarische Aufklärung sabotiert", erklärte die Linke Martina Renner, die ebenfalls Mitglied im NSA-Untersuchungsausschuss ist. Die Regierung, so die Meinung der Opposition, vertusche die Beteiligung des BND an den weitreichenden Überwachungspraktiken der NSA, das sei "ein Skandal". Diese Haltung sei "hysterisch" und trage Züge von Verschwörungstheorien, hielten Redner aus den Regierungsfraktionen den Kritikern entgegen. Durch die unverzichtbare Zusammenarbeit des BND mit den US-Diensten seien Anschläge in Deutschland und auf deutsche Soldaten im Auslandseinsatz verhindert worden.

Es gebe bisher keine Belege dafür, dass deutsche Dienste der NSA geholfen hätten, Unternehmen auszuspionieren. "In keinem dieser Vermerke ist auch nur eine Firma genannt", zitierte der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger im Bundestag aus Unterlagen, die die Regierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt hat. Daher seien die Vorwürfe, die in diesem Zusammenhang gegen den Innenminister und früheren Kanzleramtschef Thomas de Maizière erhoben wurden, haltlos und unangemessen.