Boliviens Präsident weist Kumpanei mit Putschisten zurück
28. Juni 2024Nach dem gescheiterten Staatsstreich in Bolivien ist Präsident Luis Arce dem Vorwurf entgegengetreten, mit den Verschwörern unter einer Decke zu stecken. Die Putschisten mit Anführer General Juan José Zúñiga hätten auf eigene Faust gehandelt, sagte Arce am Donnerstagabend (Ortszeit) bei seiner ersten Pressekonferenz nach dem Umsturzversuch am Regierungssitz La Paz. "Ich bin kein Politiker, der seine Popularität durch das Blut des Volkes gewinnen will."
"Holen wir die Panzer raus?" - "Holt sie raus!"
Am Mittwoch hatten abtrünnige Militärs mit gepanzerten Fahrzeugen den zentralen Platz von La Paz besetzt und waren in den Regierungspalast vorgedrungen. Präsident Arce bot den Putschisten die Stirn und tauschte sofort die gesamte Führungsriege der Streitkräfte aus. Die neuen Chefs der Teilstreitkräfte ordneten daraufhin den Rückzug der Truppen an.
Zúñiga hatte vor seiner Festnahme behauptet, der Putsch sei mit dem Staatschef abgestimmt gewesen: "Der Präsident hat mir gesagt, dass die Situation sehr schlecht ist. Es sei notwendig, etwas vorzubereiten, um seine Popularität zu steigern", so der General im Fernsehen. "Ich habe ihn gefragt: 'Holen wir die Panzer raus?' und er hat geantwortet: 'Holt sie raus!'."
"Es ist Zeit, die Putschisten hinter Gitter zu bringen"
Auch der bolivianische Innenminister Eduardo Del Castillo wies diese Darstellung zurück: "Das Ziel von Zúñiga war es, die Macht im Land zu übernehmen, gegen den Willen des Volkes." Die Regierung werde dieses antidemokratische Netzwerk stoppen, bekräftigte Del Castillo bei einer Pressekonferenz in La Paz. "Wir werden nicht ruhen, bis alle Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Es ist an der Zeit, die Putschisten von der Straße zu holen und sie hinter Gitter zu bringen."
Insgesamt wurden nach dem Putschversuch 17 Militärangehörige festgenommen. Darunter befinden sich laut dem Innenminister aktive und pensionierte Offiziere wie auch Zivilisten. Nach weiteren Verdächtigen werde noch gefahndet. Unter den Festgenommen ist neben Heereschef Zúñiga auch der Chef der bolivianischen Marine, Juan Arnez Salvador. Den beiden Männern drohen nach Angaben der Staatsanwaltschaft bis zu 30 Jahre Haft wegen Terrorismus und bewaffnetem Aufruhr gegen die Souveränität des Staates sowie wegen eines Angriffs auf den Präidenten.
Das eigentliche Motiv für den Putschversuch ist weiter unklar. Möglicherweise richtete er sich gegen eine erneute Präsidentschaftskandidatur des früheren langjährigen Staatschefs Evo Morales. Berichten zufolge hatte Zúñiga gesagt, Morales dürfe nicht als Staatschef zurückkehren, und gedroht, sich ihm in diesem Fall in den Weg zu stellen. Wegen dieser Äußerungen sei Zúñiga bereits am Dienstagabend darüber informiert worden, dass er seinen Posten räumen müsse, teilte Verteidigungsminister Edmundo Novillo mit.
Ex-Präsident Morales und Staatschef Arce ringen um die Macht in der Regierungspartei MAS. Der linke Morales - der erste indigene Präsident Boliviens - war 2019 nach 13 Jahren an der Staatsspitze unter dem Druck des Militärs zurückgetreten, nachdem ihm von der Opposition und internationalen Wahlbeobachtern Betrug bei der Präsidentenwahl vorgeworfen worden war. Obwohl ihm das in mehreren Gerichtsentscheidungen eigentlich untersagt wurde, will Morales bei der Wahl 2025 erneut kandidieren.
"Wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten"
Nach den ersten Berichten über den Putschversuch habe er seinen Rivalen Morales sogar angerufen und gewarnt, sagte Arce nun bei seiner Pressekonferenz. "Wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten, aber das bedeutet nicht, dass ich ihn im Falle eines Staatsstreichs nicht warne. Es war klar, dass sie erst mich holen würden und dann ihn. Letztendlich sind wir Genossen, deshalb habe ich ihn angerufen, damit er Vorsichtsmaßnahmen treffen kann."
Nach dem gescheiterten Putschversuch gingen zahlreiche Demonstranten zur Unterstützung der Regierung auf die Straße. Sie errichteten unter anderem zwischen La Paz und der höher gelegenen Schwesterstadt El Alto Straßenblockaden. "Wir werden nicht zulassen, dass die Demokratie angegriffen wird", sagte die Bürgermeisterin von El Alto, Eva Copa. In der Industriestadt auf 4100 Meter Höhe hat die Regierung unter den Arbeitern und Indigenen zahlreiche Anhänger. Demonstranten versammelten sich zudem im Stadtzentrum von La Paz vor dem historischen Präsidentenpalast und in zahlreichen anderen Orten Boliviens, so auch in der Hauptstadt Sucre und in Oruru.
sti/mak (afp, dpa, epd)