Poopó: Der Tod eines Sees
10. Februar 2016Sie sind ein unwirklicher Anblick, die Fischerboote. Verlassen liegen sie auf der leblosen Ebene, umpeitscht von heftigem Wind. Wo sich heute über 3000 Quadratkilometer eine karge Wüste erstreckt, war einst der Poopó, der zweitgrößte See Boliviens. Er beheimatete eine Vielzahl von Tieren und war die Lebensgrundlage der Menschen hier. Heute ist fast nichts mehr von ihm zu sehen - das wurde jetzt durch Satellitenbilder belegt. Übrig geblieben sind nur noch drei Sümpfe im ehemals tiefsten Teil des Sees.
Bolivianische Medien berichteten am Dienstag (09.02.2016) wie das Wasser des Poopó nach und nach verdunstete. Aufnahmen von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) vom April 2014, Juli 2015 und Januar 2016 haben belegt, dass der 3000 Quadratkilometer große See im Südwesten Boliviens praktisch verschwunden ist.
"Dies ist eine Naturkatastrophe mit verheerenden Folgen für die Region rund um Oruro und für ganz Bolivien", so beschreibt es der Präsident des Parlaments der nahe gelegenen Großstadt Oruro, Zenon Pizarro. Bereits im Dezember hatte die Stadt den Notstand ausgerufen, aber Boliviens Präsident Evo Morales beschwichtigt. Dies sei der normale Zyklus des Sees, sagt er. Der trockne immer gegen Ende des Jahres aus und werde dann auch wieder voll. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit, denn von Jahr zu Jahr gibt es immer weniger Niederschläge in der Region.
"Das ist eine Klimakatastrophe. Die Temperatur in der Region ist in den letzten drei Jahrzehnten um fast zwei Grad gestiegen. Zudem regnet es immer seltener", sagt Raúl Pérez Albrecht, Vorsitzender des Umweltnetzwerkes "Red Latinoamericana Ambiental". Ein anderer wichtiger Faktor ist, dass Wasser des Flusses Desaguadero, der den See speist, für landwirtschaftliche Zwecke abgezweigt wird bzw. von Minen in der Region genutzt wird, die dann ihre Abwässer wiederum in den Poopó leiten.
Langsames Schrumpfen
Der See begann bereits in den 80er-Jahren auszutrocknen. Zu Anfang des Jahres kam das Wasser zwar zurück, aber der See erreichte nie wieder seine ursprüngliche Größe, sondern schrumpfte von Jahr zu Jahr, so Albrecht. Kürzlich veröffentlichte Satellitenbilder der NASA bestätigen das.
Wenn man dem Rio Desaguadero in Richtung des verschwundenen Sees folgt, kann man die Auswirkungen hautnah erleben. Im Ort Eukaliptus steht eine große Silbermine und mehrere Kanäle leiten das Wasser des Flusses zur Bewässerung zu den Feldern.
"Das Wasser fehlt. Die Felder trocknen aus. Wir machen uns große Sorgen", sagt Juan Iquina. Er steht mit einem Fischernetz an einem der Kanäle. Zusammen mit anderen Fischern erhofft er sich einen guten Fang, doch die sind schon lange selten geworden.
Fliehen vor der Dürre
Ein paar Kilometer weiter, nahe der Stadt Oruro, trifft man auf eine kleine Lagune, in der es kaum noch Wasser, aber dafür jede Menge Müll gibt. Tausende von Flamingos waten hier durch den stinkenden Matsch. Zwischen Plastikflaschen, Tüten und aufgestauten Pfützen suchen sie den Boden nach Essbarem ab, im Hintergrund die Großstadt Oruro. Schnell wird klar, dass diese Vögel von Natur aus nicht hierhin gehören. Sie sind vor der Dürre am See hierher geflohen, aber an dieser trostlosen Lagune werden sie auch nicht lange überleben können.
Auch die Menschen fliehen, denn auch ihre Lebensgrundlage ist mit dem See verschwunden. Rund 350 Familien leben noch am Poopó. Vor einigen Jahren konnten sie hier noch fischen und die Quinoa-Felder bewässern, heute kämpfen sie täglich ums Überleben.
"Die einzige Einkommensquelle, die wir hier hatten, war der Verkauf von Fisch", sagt Don Silverio, ein alter Fischer vom Volk der Urus, das seit Jahrhunderten vom Poopó lebt. "Mit dem Verschwinden des Sees haben wir unsere Arbeit verloren. Wir haben kein Einkommen mehr." Die Gemeinde der Urus, in der ca. 90 Familien leben, besitzt noch einen Brunnen und wird vom Staat mit Reis und Kartoffeln unterstützt - aber auch sie werden auf der Suche nach einer neuen Lebensgrundlage ihre Heimat verlassen müssen.